Samstag, 15. April 2017

GASTBERICHT aus Münster: 12.03.2017 Tottenham Hotspurs vs Millwall FC 6:0


Berlin im Februar 2017„It’s probably gonna be Lincoln at home.“

Mit diesen Worten verabschiedete ich mich an einem verregneten Sonntagnachmittag in der Bundeshauptstadt von den Herrschaften aus England, nichtsahnend dass sich wenige Stunden später meine pessimistische Einstellung zu den Auslosungen für Millwall im englischen Pokal schlagartig ändern würde. Kurz vor Ankunft in der Heimat erreichte mich die frohe Botschaft, dass kein geringerer Gegner als Tottenham Hotspur an der altehrwürdigen White Hart Lane im Viertelfinale des FA Cups warten würde. Die Entscheidung, nach London zu fliegen, war somit schnell gefallen, jedoch wurde einem ebenso schnell bewusst, dass es nahezu unmöglich sein würde, ein Ticket für dieses langersehnte Derby zu bekommen. Vom Gästeblock ganz zu schweigen. Da nämlich auch die Rückmeldungen des Kollegen aus South London nicht gerade vielversprechend waren, wurden in den Folgewochen selbst die dubiosesten Ticketagenturen durchforstet. Erfolg? Fehlanzeige. Ohne Karte und einer eher durchwachsenen Portion Optimismus vor Ort noch eine Karte ergattern zu können, wurde am Samstag die Reise nach England angetreten. 

Das Spiel der Lions wurde auf Sonntagmittag gelegt, sodass sich nach einer großen Portion Pie &
Mash im hippen East End auch am Samstag noch die Gelegenheit bat, den Ball über das englische Grün rollen zu sehen und Zeuge der huddersfieldschen Wagner Revolution zu werden.
Die vom deutsch-amerikanischen David Wagner trainierten Terrier aus Yorkshire waren zu Gast in Brentford und wollten hier den nächsten Schritt in Richtung Aufstieg machen. Über Brentford selbst gibt es wenig zu berichten. Außer vielleicht, dass ein gewisser Rod Stewart hier einst versuchte den Sprung in den Profifußball zu schaffen. Ansonsten ist Brentford ein kleiner Familienverein im schnieken westlichen Teil von London, der kaum für Schlagzeilen sorgt, aber dessen Stadion für mich zu einem der schönsten in England zählt. Nicht aufgrund der Stimmung, sondern der Tatsache, dass sich an jeder Ecke des Grounds ein kleiner uriger Pub befindet. An der Metro Station South Ealing angekommen merkt man schnell, warum in diesem Teil der Stadt auf Gegenseitigkeit beruhende Animositäten nicht existieren. Die Menschen wirken hier tiefenentspannt. Wer hier wohnt, hat es geschafft. So verwunderte es mich dann auch nicht zu hören, dass der größte Rivale die Cottagers des Fulham Football Club sind. Posh cunts unter sich! Für schmale 32 Euro bekam man dann einen trostlosen Kick zu sehen, den die Favoriten aus Huddersfield mit 0-1 für sich entscheiden konnten. Zeitweise war die Partie aber derart langweilig, dass sogar das Betrachten der Haupteinflugschneise nach Heathrow sich als die spannendere Alternative entpuppte.Aber es sollte ja nur der Auftakt des Wochenendes sein. Der Tag wurde mit den Herren aus South-East London bei Livemusik und zahlreichen Ales in Greenwich abgeschlossen.





Am Morgen des langerwarteten Aufeinandertreffens mit den Yids versammelte sich ein größerer Haufen am Pub „The Crosse Keys“ im Bankenviertel. Die kurzfristig geänderten Öffnungszeiten sowie die frei erfundene „No trainers policy“ sorgten bei der 40 Mann starken Truppe in größtenteils weißen Reebok Classics hier für den ersten Dämpfer am heutigen Tag. Angepisst entschied man sich dafür den anderen Treffpunkt anzusteuern. Dieser war auch schon gut gefüllt mit jeder Menge gut gekleideter Gentlemen, denen schnell anzumerken war, wie lange sie den heutigen Tag herbeigesehnt haben. Nach gut einer Stunde entschied sich der Großteil des Mobs Richtung Turnpike Lane aufzubrechen, um in der Broadwater Farm noch ein wenig ihr Unwesen zu treiben. Wir zogen es jedoch vor, uns noch das eine oder andere Lager zu gönnen und dann die Kollegen aus Offenbach und Düsseldorf am Bahnhof King’s Cross zu empfangen. Immerhin waren es noch knappe 3 Stunden bis Anpfiff. Dank eines Arbeitskollegen waren die beiden immerhin auch schon mit Karten versorgt, so dass nur noch meine Wenigkeit um den Einlass bangen musste. Wir wählten Tottenham Hale als Anreiseroute und bahnten uns von dort durch die heruntergekommenen Straßenzüge den Weg zur White Hart Lane. Man hat ja echt schon einige Ecken in den letzten Jahren gesehen in dieser Stadt, aber eine derart arme und ranzige Gegend war auch uns neu. Kein Wunder, dass die Riots aus dem Jahr 2011 hier ihren Ursprung hatten. Am Stadion verabschiedete ich mich von den Kollegen und versuchte das Unmögliche möglich zu machen. Nach einer schier endlosen Diskussion mit einigen wenigen Schwarzmarkthändlern gab ich irgendwann genervt auf. Einen kleinen Hinweis, in welche Körperregion diese Affen sich ihre abartigen Ticketpreise schieben können, konnte ich mir aber doch nicht ersparen. Auf der Suche nach einer Kneipe stolperte mir dann aber tatsächlich noch ein älterer Herr über den Weg und bot mir für einen humanen Preis noch eine Karte an. Und wie der Zufall es wollte, stand da doch wirklich „Away Supporters“ drauf! Zwei Minuten vor Anpfiff war am Gästeblock noch die Hölle los. Durch ein Nadelöhrsystem wurde man von Old Bill zu einigen der wenigen Drehkreuze gedrängt, umgeben von hunderten Yids, die den Gästen und auch meiner Wenigkeit unmissverständlich zu erkennen gaben, was sie von unserer Anwesenheit in diesem Teil der Stadt hielten. Im Gästeblock selber war es gerammelt voll. Grund hierfür war ein Blocksturm, der wohl unmittelbar vor Anpiff und noch während meiner Kartensuche stattfand. Hätte man das mal vorher gewusst. Nach einer gefühlten Ewigkeit konnte ich dann die vertrauten Gesichter entdecken und mich dem Gekicke auf dem Rasen widmen.



Der Millwall Support war teilweise ohrenbetäubend und auch der Spurs Anhang war regelmäßig in guter Lautstärke zu vernehmen. Bei einem derartigen Spielverlauf war dies aber auch nicht verwunderlich. Der Tabellenzweite der Premier League in Bestbesetzung fegte die Lions regelrecht vom Platz. Der Klassenunterschied machte sich von der ersten Minute an bemerkbar. Am Ende hieß es 6-0 für die Hausherren. Man merkte schnell, dass die Spurs diesen Wettbewerb, im Gegensatz zu vielen anderen Mannschaften, richtig ernst nahmen und diese Saison was erreichen wollen. Immerhin ist in einsamer Ligapokal aus dem Jahre 2008 das einzige Stück Silber der letzten 10 Jahre. Die Stimmung im Gästeblock blieb vom Spielverlauf jedoch unbeeinflusst. Immerhin wartete man viel zu lang auf diese Auslosung. So war das Spiel von zahlreichen „No one likes us“ Schlachtrufen, dem Millwall roar und etlichen Schmähgesängen und Beleidigungen geprägt. Insbesondere Dele Alli und ein alter südkoreanischer Bekannter aus der Bundesliga durften sich über 90 Minuten lang so einiges anhören. Ein gefundenes Fressen für die englischen tabloids, die am Tag darauf deswegen mal wieder die Rassismuskeule schwenkten und sich als Schutzpatron des dreifachen Torschützen Heung-Min Son aufspielten.Egal, die Jungs südlich der Themse bemühen sich sowieso nicht mehr um eine faire Behandlung seitens der Presse. Ich selber war vom Anblick und Verhalten des Gästeblocks beeindruckt. Ein Bild wie ein ausgestreckter Mittelfinger in das Gesicht der modernen Hochglanz Premier League. Flatcap und Barbour statt Replica Shirt und G-Star. Dazu noch diese raue, laute, jedoch sehr ehrliche und gleichzeitig humorvolle in-your-face Attitüde, die ich so zu schätzen gelernt habe. Proper South London eben. So wurde zum Spielende das frenetisch gesungene „We’re going to Wembley“ der Spurs Fans mit einem lautstarken „We’re going to Shrewsbury“ gekontert.


Nach Spielende entschlossen wir uns die Haltestelle Seven Sisters anzusteuern. Die nicht enden wollende Strecke bot dabei jede Menge Unterhaltung. Als Paradebeispiel sei hier die in den sozialen Netzwerken mittlerweile weit verbreitete Aktion eines älteren Millwall Anhängers zu erwähnen, der einem aufmüpfigen Tottenham Fan ohne lange zu fackeln per Faustschlag auf die Bretter schickte. In diesem Fall auf den versifften Asphalt der High Road.


Mit einer kleinen Kneipentour an der London Bridge wurde der Tag beendet und nach wenigen Stunden Schlaf und mit einem katastrophalen Elektrolythaushalt wurde am Montag die Heimreise angetreten.

Freitag, 14. April 2017

05.03.2017 NK Osijek vs Hajduk Split 2:1

Im Gegensatz zu den letzten zwei Tagen, schien die Sonne am Sonntag Morgen nicht in unser Zimmer. Draußen war es, wie eigentlich üblich für diese Jahreszeit, eher grau. Wie gern wäre ich liegen geblieben und hätte Balle beim Duschen zugeguckt. Auf der Agenda stand jedoch ein weiteres Spiel auf dem Balkan. Für mich nur das zweite und für die anderen Herrschaften das letzte Spiel auf ihrer einwöchigen Tour. Am Belgrader Hauptbahnhof schnell etwas gefuttert, einen Zwickauer eingeladen und schon saßen wir wieder in Michas rumänischer Großraumlimousine. Mit dem Westsachsen an Bord wurde die Zeit sogar mal mit ein paar informativen Themen verplempert. Balle träumte hingegen schon wieder vor sich hin und sah sich bereits selbst in einem „Hustler Movie“ und verteilte C*.....ach, lassen wir das. Die knapp zweieinhalbstündige Fahrt verlief also relativ kurzweilig.

An der serbisch-kroatischen Grenze hatten die Jungs an der Passkontrolle einiges an Problemen, unsere mit Einträgen gefüllten Personalien zu checken, anders kann ich mir die fast 20-minütige Warterei nicht erklären. Angeblich hatten sie Schwierigkeiten mit dem Rechner. Das letzte mal, als ich so etwas gehört habe, musste ich danach wieder zurück reisen. Kurz hinter der Grenze wartete dann eine Stadt auf uns, deren Geschichte im Balkankrieg durchaus interessant und vor allem sehr komplex ist: Vukovar. Ohne den Kollegen aus Zwickau hätte ich mich wohl höchstens über den „defekten“ Wasserturm der 28 000 Einwohner Stadt gewundert, aber stattdessen erfuhr ich von der Rolle der Stadt und ihrem Status als eines der am stärksten umkämpften Gebiete. Ich würde gern mehr dazu schreiben, doch bisher bin ich dazu einfach zu unbelesen und kann nur auf Wikipedia verweisen, damit ihr euch mal ein Bild machen könnt. Die Gegend wurde jedenfalls mit dem Umschalten des Telefonanbieters schlagartig schöner und vor allem sauberer. Wenn ich an den ganzen Müll und die verfallenen Häuser im östlichen Serbien denke, so war man hier irgendwie schon wieder in einer ganz anderen Welt. Die ganzen kleinen Höfe in den Ortschaften auf unserer Strecke erinnerten mich teilweise an Orte in Brandenburg oder Meck-Pomm.

In einem der Vororte von Vukovar konnten wir an einer Kneipe in Richtung Osijek bereits die ersten Hajduk Leute rumlungern sehen. Wie auch Dinamo Zagreb, scheint Hajduk einiges an Sektionen im ganzen Land zu haben. Aber das sollte uns nicht sonderlich interessieren, unser Fokus lag die ganze Fahrt über auf dem Wetter. Der Wetterbericht verlautete Regen am Nachmittag, bisher war aber alles trocken. Ein Vöglein hatte uns im Vorfeld gezwitschert, dass der Ground vom FK Osjiek über keinerlei Überdachung verfüge. Kurz nach dem parken des Autos und dem ordern unserer Tickets fand der erste Tropfen den Weg auf meine Rübe. Ich hätte kotzen können. Neben dem halbfertigen Stadion „Gradski“ (zumindest sieht es so aus, mit der Haupttribüne hatte man offenbar größeres vor), hatte man immerhin eine Halle mit ein paar Restaurants hingezimmert, so dass wir uns die Zeit bis zum Anpfiff mit Speis und Trank verkürzen konnten. Das Preisniveau hier war zwar schon spürbar höher, aber für Deutsche immer noch im „Schnäppchen“-Bereich. Ich für meinen Teil hätte für den Preis keine so große Fleischplatte erwartet. 


Mit voller Plauze konnten wir uns nun endlich in den Regen stellen. Da die Fans des Gastgebers aber bereits in der Nacht zuvor den 70.Vereinsgeburtstag in der Innenstadt mit jeder Menge Pyrotechnik zelebriert haben, hatten wir wenigstens die Hoffnung, der Heimpöbel würde am Spieltag erst recht die Regentropfen mittels bengalischer Feuer zum verdunsten bringen. Zum Intro gab es jedoch erst mal gar nichts, weder von den geschätzt 800 (?) Hajduk-Supportern, noch von der „Kohorta Osjiek“. Aber wenn schon die Szenen nicht begeistern können, dann manchmal immerhin die weiblichen Gäste. Sowohl Kollege Balle als auch ich wussten zunächst nicht auf/in welche Kurve wir zuerst gucken sollten. Wir wechselten dann sicherheitshalber den Standpunkt, um uns auf das wesentliche zu konzentrieren. Die Seite der Hausherren legte in der ersten Halbzeit eigentlich eine ganz nette Show hin. Die Gesänge wurden nicht immer von allen Leuten im Sektor getragen, konnten aber trotzdem eine ansprechende Lautstärke erreichen. Die Gäste konnten wir zwar gut hören, waren aber trotzdem ein Stück zu weit weg, um die Jungs etwas näher zu beäugen. Im Verlauf der ersten Halbzeit zog die Heimseite dann endlich ein paar Blockfahnen nach oben, doch unsere Hoffnung auf etwas künstliche Beleuchtung wurde leider nicht befriedigt. Im Nachgang dieser Partie kam uns zu Ohren, dass die Herrschaften aus Osjiek schon einiges an Pyrotechnik geplant und auch schon versteckt hatten, dieser Plan aber von der Staatsmacht vereitelt wurde. Mit demselben Problem hatten auch die Jungs von der „Torcidia Split“ zu kämpfen. Trotzdem schafften sie es immerhin, ein paar Sachen mit ins Stadion zu bekommen und diese in der 2.Halbzeit zu entzünden. War zwar keine überragende Pyro-Show, aber insgesamt wusste Hajduk schon zu gefallen. Mit dem Wechsel unseres Beobachtungspostens konnten wir uns auch viel mehr an den Pogoeinlagen der Gäste erfreuen. Als kurz vor Ende der Siegtreffer für die Hausherren fiel, hofften wir nochmal kurz auf eine große Show. Aber wie bereits erwähnt, es war ja nichts drin. Das wussten wir ja zu dem Zeitpunkt noch nicht. Ziemlich nass und durchgefroren erklärten wir das Stadion Gradski ca vier Minuten vor Schlusspfiff für „abgehakt“ und zogen direkt von dannen. Schließlich sollten mich die Jungs noch in Budapest am Flughafen absetzen. 



Das Zeitpolster war eigentlich mehr als ausreichend, doch Roberts Hang zum Bleifuß ließ mich knapp 30 Minuten nach Fahrtbeginn bereits das erste mal am erreichen meines Fliegers zweifeln. Ein kroatischer Verkehrsbulle rannte wild gestikulierend auf die Straße und gab uns zu verstehen, dass wir wohl etwas zu zügig unterwegs waren. Letztlich war das ganze wenig dramatisch, nur als Robert auf einmal mit dem Bullen im Auto ohne irgendeine Info davon brauste und uns ohne Schlüssel und Fahrzeugpapiere in der kroatischen Prärie stehen ließ, guckten wir etwas dumm aus der Wäsche. Der nette Mann von der Polizei wollten dem Verkehrssünder aber doch nur zeigen wo genau er das Schild übersehen hatte und brachte ihn fünf Minuten später zu seinen Kumpels zurück. Mensch sind die freundlich hier…      Eine weitere halbe Stunde später standen wir auch schon an der kroatisch-ungarischen Grenze. Im Vorfeld der ganzen Reise hatte ich gegenüber meinem Arbeitgeber bereits gewitzelt, dass ich ganz sicher am Montagvormittag wieder auf der Matte stehe, vorausgesetzt Viktor Orban lässt uns rein. Tja, er wollte uns nicht rein lassen. Zumindest nicht so, wie wir es in Deutschland handhaben. Der blöde Hund wollte tatsächlich wissen, wer da in sein Land einreist. Und das zog sich in die Länge. Nach knapp 1½ Stunden war der Flug eigentlich schon nicht mehr zu erreichen und ich machte sowohl meine nahen Verwandten und Kollegen mit einer verzögerten Ankunft vertraut, meine Begleiter mussten sich indes damit anfreunden, sich mit mir bis Dresden die Rückbank zu teilen. Viel bequemer wäre meine Rückreise mit Flugzeug und Nachtzug zwar auch nicht gewesen, aber sie war immerhin schon bezahlt. Lange Rede, kurzer Sinn: Montagmorgen um halb fünf konnten meine Cottbuser Begleiter mich und den Herrn aus Zwickau am Dresdner Hauptbahnhof vor die Tür setzen und nach kurzer Wartezeit sowie Zahlung einer erhöhten Spende an die deutsche Bahn, konnte ich ebenfalls die letzte Etappe meiner Reise antreten. 

Das Ende war zwar etwas teuer und mühsam, aber im Großen und Ganzen hat sich der Trip schon gelohnt und ich kann mich an dieser Stelle nur noch einmal bei Micha,Robert und Balle fürs Mitnehmen bedanken. Und das nächste Mal fahre ich auch mal ein Stück.