Sonntag, 22. Januar 2017

31.07.2016 1.FC LOK Leipzig vs BSG Energie Cottbus 1:1

LOK Leipzig gegen Energie Cottbus. Ein Duell das eigentlich mindestens auf Ebene der 2. Bundesliga stattfinden sollte. Genau in dieser Spielklasse fand auch das letzte Aufeinandertreffen der beiden Profimannschaften am 20.02.1998 in Leipzig statt. Wenn ich den Geschichten unserer „Alten“ glauben schenken darf, dann drehten die erlebnisorientierten Herren rund um die „Spreewaldkanaken“ sogar ziemlich am Rad beim VfB Leipzig. Nach dieser Saison ging es für die Mannen aus Probstheida stetig bergab, während es für Energie (nach einem knapp vereitelten Abstieg in der Folgesaison) für die nächsten Jahre steil bergauf ging und das Kräfteverhältnis im Osten ordentlich auf den Kopf stellte. Aufeinandertreffen gab es von nun an nur noch durch unsere Amateure. Eines dieser Spiele hatte auch meinen ersten wirklich relevanten Ärger mit der Exekutive zur Folge. Jugendsünden eben. Während Energie 2004 nach 3 Jahren Bundesliga in der zweithöchsten Spielklasse um den Wiederaufstieg kämpfte, wurde der VfB Leipzig im Sommer 2004 aufgelöst. Noch im selben Sommer wurde zwar der Verein Lokomotive Leipzig neugegründet, aber hätte uns damals jemand erzählt, dass die beiden Vereine knapp 12 Jahre Jahre später wieder im Ligabetrieb aufeinandertreffen, hätte man ihm vermutlich einen psychischen Schaden diagnostiziert. Das soll nicht heißen, dass den Lokis niemand zugetraut hätte, jemals wieder in den ersten vier Ligen mitspielen zu können, nur hat in Cottbus keiner damit gerechnet, dass wir den Lokisten bis in die vierte Liga entgegen kommen. 

Nun, 2016 war es dann aber tatsächlich soweit. Wir mussten/durften wieder nach Leipzig. Da ich Reisen in die Heimat bzw. in den Osten gern mit etwas verbinde, damit sich die lange Fahrt auch lohnt, wurde Tags zuvor die Hauptstadt (und damit auch die Giraffe) mit meiner Anwesenheit gequält. Der Plan, noch nach Köpenick zum Testspiel gegen Utrecht zu eiern, wurde just in dem Moment verworfen, als ich vom Schienenersatzverkehr an der Warschauer Brücke erfuhr. Meine Motivation, sich bei der Hitze in einen vollen Bus in den Berliner Südosten zu setzen, war eher gering. Wie es der Zufall so will, fand aber am RAW Geländer um die Ecke die „Berlin Beer Week“ mit Gästen aus Cottbus statt. Tja, es gibt wahrhaftig schlimmere Alternativen zum Fußball. Der Hitze war natürlich vollkommen egal, da ich mir die Biere rein hauen wollte, daher hatte ich relativ zügig ordentlich einen an der Lampe. Der Giraffe fiel indes nichts besseres ein, als mich unter dem Vorwand „ wir essen noch schnell einen Döner“ und „ist gar nicht weit bis in die Rigaer“ mit einem nie enden wollenden Fußmarsch durch Friedrichshain den Abbau der giftigen Substanzen in meinem Körper anzuregen. Irgendwann hatte er ein Einsehen und bestieg mit mir zusammen die Bahn. Jetzt versucht mal mit 2,8 im Kessel, einem Döner in der Linken und ein Bier in der Rechten in einer Bahn zu stehen. Naja, lassen wir das… 

Gezeichnet vom Vorabend enterten wir also am Sonntagmorgen den InterCity in die Messestadt an der Pleiße. Die Giraffe gab sich während der Fahrt betont motiviert was den Alkoholkonsum anging, bei mir war jedoch nicht allzu viel zu holen und so winkte ich eher gleichgültig ab und gönnte dem langen Elend seine Flasche Radler und seine 70 Minuten Ruhm. In Leipzig staunten wir dann nicht schlecht über den Pöbel, der dort schon rund um den Hbf unterwegs war. Überhaupt war an dem Tag zum Teil ziemlich grobes Volk aus Leipzig und Halle auf den Beinen. Zwar pflegt man gegenüber LOK eher ein neutrales Verhältnis, aber deren Kumpels aus Halle finden uns absolut nicht „dufte“ und daher war etwas Vorsicht angeraten. In einer Kneipe am Völkerschlachtdenkmal fanden wir dann aber trotzdem ein ruhiges Plätzchen, um uns mit weiteren „alten“ Freunden aus der Heimat auf ein paar Biere zu treffen. Mittlerweile schmeckte es wieder. In Sichtweite zogen währenddessen immer mal wieder kleine Gruppen LOKis am Lokal vorbei, die in unser Runde immer mal wieder für ein anerkennendes Nicken sorgten. Wie gesagt…grobes Völkchen die LOKISTEN. Nach einem kleinen Umweg unserer Taxifahrerin vor den Haupteingang des Bruno-Plache Stadions („ Ey, das ist 'ne ganz schlechte Idee uns hier raus zu lassen!“), schafften wir es trotzdem pünktlich ins Stadion, doch beim Blick auf die Schlange am Getränkestand (wo es eh nur Alkoholfreies gab) sehnten sich ein paar Herren aus unseren Reihen doch wieder nach dem netten Biergarten am Völkerschlachtdenkmal. Aber wir sollten es überleben. 



Der Blick durch das „volle“ Rund ließ den Biergarten jedoch schnell vergessen. Es ist zwar immer etwas merkwürdig von einem „vollem Haus“ zu sprechen wenn geschätzt 40-50 % des Stadions aus Sicherheits-/ baulichen Gründen gesperrt sind, aber trotz alledem machte die Hütte und das Heimpublikum schon ordentlich was her. Dermaßen abgefuckte Stadien sucht man ja mittlerweile fast schon vergebens in den ersten vier Ligen. DAS war wirklich Fußball wie ich ihn mag. Schade, dass man dafür erst in die vierte Liga absteigen muss. Wie ihr seht, habe ich mir ja einiges an Zeit gelassen, diesen Bericht zu verfassen, daher fällt es mir auch sehr schwer, die erlebten 90 Minuten irgendwie zu rekapitulieren. Der Anfangs gut aufgelegte Gästeblock wurde (meiner Erinnerung nach) im Verlauf des Spiels leider auch Opfer der Temperaturen und konnte trotz anfänglicher Führung nur bedingt für ordentlich Stimmung sorgen. Bei LOK sah es im Grunde ähnlich aus. Wobei das Liedgut auf Seiten der Leipziger dominiert wurde durch „ der FC LOK ist wieder da….“ . Hätten wir auch singen können, nur freut sich keiner darüber. Besonders imposant war hingegen der Torjubel nach Leipzigs Ausgleichstreffer und das Zusammenspiel zwischen Anhang und Stadionsprecher beim berühmten „Danke-Bitte“-Spiel und dieses brachiale „L-O-K“, das dieser Ansage folgte. Wahnsinn. Da guckte nicht nur Jugendfreund Titte ziemlich begeistert in die Röhre… „Alter, was war denn das gerade?!“ Mit einem Unentschieden gegen einen Aufsteiger (als Absteiger aus der 3.Liga fühlt man sich halt immer noch als was besseres) traten wir also den Rückweg über die endlosen Felder hinter dem Stadion an. Das Theater, das die Bullen hier veranstalteten, glich schon etwa jenem in Magdeburg. Ich glaube, gut 30 Minuten sind wir sicher gelaufen bis zu den Bussen. Nur um dann dort nochmals gut eine halbe Stunde in den Bussen zu warten bis es endlich los gehen konnte. Die meisten schauten schon nervös auf die Uhr wegen der Abfahrtszeiten ihrer Züge, als der Einsatzleiter durchgab, man würde nicht wie geplant den Hauptbahnhof, sondern Leipzig Thekla ansteuern. Da der Bahn auf dem Streckenabschnitt zwischen Hbf und Thekla was ganz dummes passiert sein musste. So fuhren diese drei Busse also wieder gut 30-40 Minuten an Leipzigs Stadtgrenze entlang, um die Gäste endlich loszuwerden. Alles reden bezüglich des Zielpunkts dieser Busse half nichts. In Thekla teilten uns die Jungs im grünen Gewand dann mit, dass die Leute, die nicht nach CB müssen, mit dem Bus noch zum Hbf gefahren werden. Als dann wiederum 1 ½ Busbesatzungen diese Option wählten, merkten auch endlich die Cops, was sie da eigentlich für einen sinnlosen Zirkus veranstaltet hatten. Wir halten also fest: Statt die 3 Stunden bis zur Abfahrt unseres Züge (keiner aus meiner Runde musste auch nur ansatzweise in Richtung Cottbus) gemütlich im Biergarten zu verbringen, verbrachten wir die Zeit bei bestem Sommerwetter in den Bussen der Leipziger Verkehrsbetriebe. Danke Merkel!



Montag, 2. Januar 2017

26.06.2016 EM 2016 / Deutschland vs Slowakei 3:0

Um die folgende Zeilen einzutippen, musste ich mir erst einmal eine halbe Flasche Whisky genehmigen. Anders hätte ich meinen vor Ekstase zitternden Körper gar nicht mehr zu Ruhe bekommen. Dermaßen geflasht von der unvergleichbaren Atmosphäre in einem Stadion kam ich zuletzt nur vom Kracher Saar 05 vs. Elversberg nach Hause. Da brauchte ich wirklich eine Woche, um mich von diesem „Schock“ zu erholen.
Das Drama nahm am Donnerstag vor dem Spiel seinen Anfang. Ein guter Freund und Anhänger des mächtigen SV Waldhof (nennen wir ihn den „Architekten“) sendete mir einen Screenshot von der Seite der UEFA, auf der etwas von vier Tickets für das Achtelfinalspiel der Deutschen in Lille zu erkennen war. Toll, dachte ich mir. Angeber kann keiner leiden. Als er mich dann aber darüber informierte, meinen strategische wichtigen Wohnort als ersten Stopp der Tour zu nutzen und von dort Gebrauch meiner Ortskenntnisse machen zu wollen, war klar, worauf der gute Mann hinaus wollte. Langer Rede, kurzer Sinn….er wollte diesen Fehlkauf an mich verhökern. Blauäugig wie ich bin, sagte ich natürlich zu. Riesen Bock auf den ganzen Europameisterschaftsscheiss hatte ich im Grunde keinen. Aber wenn sich die Gelegenheit bietet, irgendwo im Ausland mal wieder mit den Kumpels einen zu heben, kann ich schlecht Nein sagen. Sonntagmorgens um halb zehn standen die Herren aus dem Raum Mannheim fast pünktlich vor meiner dauerhaften Unterkunft und insbesondere der „Architekt“ konnte es sich nicht nehmen lassen, den ein oder anderen Kalauer zu meiner Wahlheimat zum Besten zu geben. Euer Schreiberling lotste die gefährliche menschliche Fracht indes ohne „Feindkontakt“ über die Grenze und knapp 3 Stunden später konnten wir unser Vehikel auf einem Supermarktparkplatz unweit des Stadions abstellen. Nachdem auch die Karten abgeholt waren, konnte sich die feine Reisegesellschaft in die Innenstadt begeben. Doch zunächst sorgten die Herren der lokalen Verkehrsbetriebe für reichlich Unmut, wollte man den armen Teutonen (und auch Slowaken) doch tatsächlich auch noch Kohle aus der Tasche ziehen, um den ÖPNV zu nutzen. Nun, grundsätzlich ist es sicherlich selbstverständlich, dass diese Dienstleistung auch entlohnt wird. Nur unter dem Gesichtspunkt der frechen Eintrittspreise und wenn man daran denkt, wie die Sache in Deutschland (bei den meisten höherklassigen Vereinen ) gehandhabt wird, bekomme ich schon schlechte Laune. Diese Leistung sollte ja nun wirklich inklusive sein.
Am Hauptbahnhof von Lille war erwartungsgemäß alles voll mit Deutschen und relativ schnell war uns klar, warum wir Länderspielen so lang fern geblieben sind. Wenn der Treffpunkt der vermeintlichen deutschen „Härtefälle” durch eine Osnabrück Fahne „ausgeschildert” wird, läuft irgendetwas ganz gewaltig schief. Danke Merkel! Auch sonst ein ziemlich hohes Dulli-Potential unterwegs. Die kurze Distanz zum Vaterland ermöglichte es einigen Hottentotten, den Malle-Urlaub nach Frankreich zu verlegen. Als der berühmte Simonesi aber auf einmal vor mir stand, war all der Ärger und die frechen Bierpreise ruck, zuck vergessen und wir konnten uns den schönen Seiten des Lebens hingeben. Da aber nicht so ganz geklärt war, wie die Rückfahrt aufgeteilt wird unter den vier potentiellen Fahrern, war Genuss mit Handbremse angesagt. Naja, zumindest für die anderen Drei! Circa 1 ½ Stunden vor dem Anpfiff wurde dann eher widerwillig der Weg zum Stadion angetreten, ich wäre (auch wegen der besagten Dullies) lieber in der Kneipe geblieben. Im Nachhinein wäre es auch die bessere Entscheidung gewesen. Aber schließlich war ja EM. Den Organisatoren dieses Turniers bzw. an diesem Spielort war das offenbar neu. Wie man dermaßen unvorbereitet auf diese Menschenmassen ein Europameisterschaftsspiel austragen kann/darf, ist für mich vollkommen unverständlich. Die Lage an den Eingängen für unsere Sektoren war mehr als kritisch. Von allen Seiten nur Gedränge und Geschubse. Zarte Persönlichkeiten oder Kinder hätten hier arge Probleme bekommen. Hätte eigentlich nur jemand mit einem Sprengstoffgürtel gefehlt. Ist ja in Frankreich mittlerweile auch „en vogue”. Glücklicherweise passierte aber nichts und während drinnen die Nationalhymne geträllert wurde, fummelte mir noch ein Franzose in den Taschen rum. Auch noch den Anstoß verpasst (sollte mir im Jahr 2016 noch häufiger passieren). Meine drei Gefährten hatten derweil schon die Plätze eingenommen und insbesondere der „Architekt” hatte mit zwei Belgiern (in Deutschlandtrikots) in der Reihe vor uns seine Feindbilder für die nächsten 90 Minuten gefunden. Hat ziemlich lang gedauert, bis sie ihn endlich als Autoritätsperson wahrgenommen hatten und von ihrem Sitzplatz Gebrauch machten. Der eigentliche Grund unseres Erscheinens, die Partie Deutschland vs. Slowakei, war indes ein wahres Trauerspiel. Nun, der normale Zuschauer würde jetzt fragen : „Wieso? Die haben doch 3:0 gewonnen?!” Tja, das war es aber auch. Ich habe ja schon das ein oder andere stimmungsmäßige Trauerspiel gesehen (gerade in England), aber in Verbindung mit der Karnevalsverkleidung von 80 % der deutschen „Fans” war für mich ein Punkt erreicht, an dem ich absolut die Lust an diesem Sport verloren habe. Ich habe keine Ahnung, wie viele der 44300 Zuschauer aus Deutschland waren, ich schätze mindestens 60-70 %, aber Tatsache ist: So stelle ich mir die Heimspiele der Deutschen Nationalmannschaft vor. Trostlos, nur Idioten und absolut keine Atmosphäre. In der 60. Minute hatte ich den Kanal voll und den Weg nach draußen gewählt. Ein paar bekannte Unioner saßen schließlich auch noch vor den Toren in einer angrenzenden Kneipe und so hatte ich wenigstens etwas Gesellschaft, während meine Begleiter sich diesen Event bis zum Ende gaben.
Auf der Rückfahrt konnte ich mich wie erhofft vor dem Fahren drücken, weniger wegen meines Pegels, eher wurden meine Fähigkeiten als DJ benötigt. Und so kamen die drei Wessis in den Genuss einer gepflegten „Cottbusser Playlist”.... Irgendwann gegen 1 Uhr konnte ich meinen Haustürschlüssel wieder ins heimische Türschloss stecken, während meine Begleiter für die restlichen 1 ½ Stunden Fahrt leider ohne den sorbischen DJ auskommen mussten. Den nächsten Länderspiel Besuch überlege ich mir vorher zwei Mal!