Sonntag, 26. April 2015

Aus einer Zeit ohne Internet: Energie Cottbus Collagen

Die Leser unter Euch, die zur Jahrtausendwende gerade in der besten Zeit ihrer Jugend waren, können sich vermutlich noch erinnern. Die deutsche Ultra Bewegung befand sich damals noch in den Kinderschuhen. Die Jungs die sich dieser Bewegung zugehörig fühlten, waren dank Balkenschals, Umbro Pullovern oder Fischerhüten leicht erkennbar. Oft standen sie vollkommen allein mit 20-30 Mann irgendwo im Block und versuchten mit viel „Forza und Allez“ die eigene Kurve zu revolutionieren. Die ersten Choreos, Doppelhalter und vor allem viel viel Rauch prägten diese Zeit. Die jungen Leser können es sich evtl gar nicht mehr vorstellen, aber es gab mal eine Zeit ohne Internet. Damals versuchte man die eigenen Aktionen noch mittels Fotos und selbst gebastelten Collagen für die Nachwelt festzuhalten.
Getauscht und Verkauft wurden diese entweder an den Spieltagen mit Leuten aus anderen Szenen oder in der berühmten „Match Live“. Viele Kontakte sind in dieser Zeit entstanden. Manche blieben lose, manche führten zu echten Freundschaften und wieder andere nutzten die neu gewonnen Kontakte ein paar Jahre später für konspirative Treffen. Komisch war`s. Szene Leute die sich heute auf die Birne hauen würden, trafen sich vor oder nach den Spielen um besagte Collagen unter das Volk zu bringen. Mittels „ Wortgewalt“ konnte man die Fotos von 100 Gramm Rauchpulver im Dorf XY etwas untermauern und schnell wurde aus einem Sonntagsausflug mit den ersten pyrotechnischen Gehversuchen ein „Überfall“.
Beim wühlen durch alte Foto und Fanzine Bestände fiel mir nun eine Sammlung aus unserer Szene in die Hände. Es wäre zu Schade diese Zeugnisse unserer Vergangenheit wieder in den Schrank zu schmeißen. Manch einer mag schmunzeln wenn er die Fotos sieht. Aber so war sie eben, die Zeit um 1997- 2001.
Doch nun seht selbst und genießt den Blick in die Vergangenheit der Cottbuser Fanszene. Hier und da sind einige Jungs wieder zu erkennen die noch Heute dabei sind. Andere sind der ersten Freundin, der wirtschaftlichen Situation in der Lausitz oder schlichtweg der Justiz zum Opfer gefallen. Euch allen ist dieser Beitrag gewidmet...

















Sonntag, 19. April 2015

15.04.2015 SV Babelsberger_innen 03 vs BSG Energie Cottbus 0:2

Babelsberg. Wo soll ich diesen Bericht nur beginnen? Bei der Auslosung, bei der Bekanntgabe des Boykotts oder gar bei der Absage einen Tag vor dem Spiel?
Es müsste im November gewesen sein, als mich die Nachricht erreichte, wer unser Gegner im Halbfinale sein sollte. Die Auswahl war ja ohnehin nicht sonderlich groß. Es war nur die Frage ob im Halbfinale oder Finale.
"Dein krankhaftes Verlangen wird nun endlich gestillt...ihr habt Babelsberg!"
So ungefähr war der Wortlaut einer Textnachricht eines schwarz-gelben Irrläufers aus Hoyerswerda.
Vor Freude hätte ich fast meine UfA-Filme zerruppt und mit dem Filmband den kleinen Muck aufgehängt. Aber ich hab weder alte UfA-Filme, noch war der kleine Muck greifbar. So blieb mir nur ein beherzter Griff in den Bierkasten und anschließend zum Telefon, um diese Freude mit anderen zu teilen.
Doch woher dieses krankhafte Verlangen? Babelsberg ist eine sehr komische Geschichte, es gab eine Zeit, da fand ich den Verein sogar mal ganz nett. Sie hatten um die Jahrtausendwende 'ne kleine Szene, immer ein paar schicke Aktionen und in einer Art Rivalität stand man bis dato ja ohnehin nicht. Sportlich trennten die beiden Vereine stets Welten und so sollte dieses Pokalhalbfinale auch das erste Pflichtspiel gegeneinander werden. Mit der Zeit entwickelte sich Babelsberg jedoch mehr und mehr zum "St.Pauli" des Ostens. Es ist kein Geheimnis, dass die politische Orientierung in der Lausitz in die andere Richtung lief. Selbstredend wurde aus dem bislang neutralen Verhältnis zueinander ein misstrauisches Beobachten. Mit der Zeit wurden die Filmstädter immer mutiger und meinten, Pfeilspitzen in Richtung CB werfen zu können. Aus der linken Ausrichtung in Babelsberg wurde ein immer größeres politisches Engagement für all jene Minderheiten, die sich bislang evtl. gar nicht diskriminiert fühlten: Homos, die Kelly Family, Mutter Erde, Emanzen, Claudia Roth, Zuchtvieh und Flüchtlinge. Ferner wurden aus den Babelsbergern jetzt sogenannte Babelsberger_innen und von nun war man auch auf der Suche nach dem eigenen Geschlecht.  In ihrem unerschütterlichen Eifer wurden sie so tolerant, dass sie irgendwann schon wieder intolerant wurden.
Aber warum berührt uns das? Ganz einfach: Wir finden Schwule doof, bringen Schlauchboote auf dem Mittelmeer zum kentern, wählen die NPD, essen sogar das Fleisch ungeborener Delfine, sehen Frauen nur als Nutzvieh für die Kiste oder die Küche und vor allem haben wir riesige Schwänze! Und all das passte unseren neuen Freunden irgendwie überhaupt nicht ins Weltbild.
Einladungen zu Diskussionsrunden bei Gastspielen im Cottbuser Umland, wo man zumindest mal über unsere Vorlieben sprechen könnte, wurden leider stets von Seiten der Potsdamer_innen ausgeschlagen. Also musste wir irgendwann mal selbst vorbei. Doch Jahr um Jahr wurde uns ein Derby im Rahmen des DFB-Pokals verwehrt.
So sollte es nun am 1. April zum langersehnten Kick-off kommen. Doch es wäre zu einfach, wenn im Vorfeld dieser Partie einfach alles glatt liefe. Nachdem Babelsberg endlich den Termin für den Ticketvorverkauf und die entsprechenden Preise bekannt gab, herrschte erstmals großer Unmut über die 15 Euro, die ausgerufen wurden. Seitens unserer Szene wurde daher zum Boykott aufgerufen. Scheiße, das kann es doch echt nicht sein, dachte sich nicht nur meine Wenigkeit und so kotzte ich erst mal etwas ab. Bis zuletzt blieb etwas unklar, ob sich die Gruppen doch noch um entscheiden oder tatsächlich fern bleiben. Schlussendlich entschieden sich doch einige für die Fahrt nach Potsdam, allerdings war im vornherein klar, dass man nicht als Gruppe anreist. Schon allein um den Sicherheitsorganen und Medien die entsprechende Angriffsfläche zu nehmen. Aus der Vergangenheit ist ja bekannt, wie schnell die Gruppen IC und CBR sowie ihre Freunde vorverurteilt werden können. Beweise mal das Gegenteil, wenn seitens der Medien, des Vereins und der Bullen der Übeltäter schon feststeht. Insofern die richtige Entscheidung. Auch wenn es irgendwie schade ist.
Als nun geklärt war, dass man organisiert unorganisiert den Weg in die Landeshauptstadt antritt, auch die Tickets gesichert waren, konnte noch Urlaub eingereicht werden und schon war ich wieder in der Heimat. Was nun folgte war an Wut und Enttäuschung schon lang nicht mehr gesehen. Man stelle sich vor, die Tage vor dem terminierten Derby wird man immer nervöser, man freut sich mehr und mehr auf einen ordentlichen Fußballabend und ein paar Bier mit alten Freunden und mit einem Mal wird sämtliche Vorfreude, im wahrsten Sinne des Wortes, weggeweht. Niklas hieß das kleine Arschloch, seines Zeichens ein heftiger Orkan, der uns diesen Tag versauen wollte. Der Sturm war zugegeben wirklich heftig und die Bedenken seitens der Verantwortlichen sicher berechtigt. Was anfangs nur Gerüchte waren, wurde abends Gewissheit. Absage! Gott hab ich gekotzt. Es gibt mit Sicherheit schlimmeres, aber in diesen Momenten ist einem das Leid von hungernden und flüchtenden Menschen auf dem Rest der Welt herzlich egal. Wie viele bin auch ich der Meinung, dass man wenigstens noch bis zum Vormittag hätte warten können, wie sich der Sturm entwickelt. Am Spieltag selbst war dieser natürlich merklich abgeflacht. Wie wir es auch drehen und wenden, der Tag war gelaufen und die Stimmung ziemlich geknickt (ich schätze, bei den Leuten in Potsdam sah es ähnlich aus). Mein Hoffen auf einen neuen Termin in der darauf folgenden Woche blieb leider unerhört. Wäre auch zu schön gewesen.
Dem Himmel sei Dank konnte ich nach dem Urlaub gleich noch mal zwei Tage Urlaub nehmen und für 'nen schmalen Taler einen dieser Fernbusse in die Hauptstadt buchen. Wie sich das gehört, machte sich auch der fetteste Typ im ganzen Bus neben mir breit. Da steigt die Vorfreude auf 10 Stunden Busfahrt durch die Nacht ins Unermessliche. Hab ich eigentlich schon mal gefragt, warum wir uns sowas immer wieder geben?





Der Spieltag:
Um noch ein paar Getränke zu sich nehmen zu können und das schöne Wetter zu genießen, entschieden sich euer Autor und der „Manager“, schon etwas früher den beschwerlichen Weg in die Landeshauptstadt auf sich zu nehmen. Unsere Lust auf das Geficke durch die Staatsmacht hält sich ja bekanntlich in Grenzen, daher direkt bis zum Bahnhof Potsdam durchgefahren und Babelsberg erst mal links liegen gelassen. Auf der Suche nach einem ordentlichen Biergarten landeten wir dann aber leider doch im besagten Stadtteil, manchmal sitzt der Teufel im Detail. Wie es sich für uns gehört, waren wir natürlich die Ersten in diesem exquisiten Lokal. Mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen nahmen wir im Verlauf der folgenden drei Stunden zur Kenntnis, dass sich auch diverse Herren des Cottbuser Problem-Klientel diese Lokalität zum Treffpunkt gewählt hatten. Wie ihr euch denken könnt, kannten wir keinen dieser komischen Typen und beäugten das Treiben zugegeben sehr argwöhnisch. Zwei Mal fuhr sogar die Staatsmacht vorbei und guckte in etwa genauso wie wir, Handlungsbedarf sah diese aber offenbar nicht. Vermutlich hielt sie diesen kurzhaarigen Haufen für Babelsberger. Nach einem kurzen Augenblick der Unachtsamkeit, war die Truppe aber auf einmal verschwunden. Da wir uns sehr um deren Absichten sorgten, wurde mal ein schneller Schritt eingelegt, um bei eventuellen Zwischenfällen Beweise sammeln und schlichtend eingreifen zu können. Doch, noch bevor ich “Make Love, Not War“ schreien konnte, waren sie schon um die Ecke vor der Heimkurve gebogen und eine Art Chaos schien sich zu entwickeln. Einige schnelle Handgriffe und Beulen später schien das Chaos auch schon wieder aufgelöst und zurück blieben nur ein paar verwirrte Polizisten und gemaßregelte 03er. Zum Zeitpunkt des Eintreffens unserer schnellen Eingreifgruppe befanden sich die vermeintlichen „Verteiler“ auch schon hinter der Polizeikette (die ja eigentlich trennen sollte) und hatten ein seltsames Grinsen auf dem Gesicht. Also da hat jemand ganz schön gepennt...ohohoh.
Bevor nun wirklich der Gästebereich eingenommen werden konnte, machte der Besitzer eines angrenzenden Lokals von sich reden. Dieser schien sichtlich Angst vor den Cottbuser Nazihorden zu haben. Bestellungen wurden nur durch den Türspalt entgegen genommen und die Stühle vor seiner Kneipe gar nicht erst aufgeschlossen. Könnten ja durch die Scheibe fliegen. Mir ist zwar zweifelhaft, was man als Deutscher gegen zwielichtige italienische Wirte haben sollte, aber die werden schon ihre Gründe haben. Wahrscheinlich waren es unsere noch zwielichtigeren Kumpels aus Frankfurt/Oder, die sich davor niedergelassen hatten.
Am Einlass standen wieder dieselben Flachzangen wie beim Spiel in Halle, wobei die Kontrollen diesmal relativ ruhig abliefen und die Wichtigtuerei der Ordner sich deutlich in Grenzen hielt. In Folge unseres Alkoholproblems und dem seltenen Angebot von alkoholischen Getränken bei Risikospielen, betraten wir etwas zu spät den Block, um den schwarzen Rauchpilz aus CB zu begaffen. Immerhin wurden wir noch Zeuge des Intros der Geschlechtslosen im Nachbarblock. Um Vollbart und Lippenstift vor unseren intoleranten Blicken zu schützen, saßen diese nämlich mit Sturmmasken und mit Bengalos bewaffnet auf dem Zaun und wedelten mit diesen wild herum. Konnte sich sehen lassen, war aber auch nichts Besonderes. Aufgrund der mageren Aktionsbreite und des noch schlechteren Supports aus dem Gästebereich, will ich mich hier aber auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Bezüglich der optischen Unterstützung kann man sich ja immerhin noch auf den eigentlichen Boykott berufen, aber der akustische lief überhaupt nicht. Meines Erachtens fast schon ein Armutszeugnis, wenn man ohne Einpeitscher gar nichts mehr auf die Reihe bekommt. Doch so hatten die Babelsberger_Innen wenigstens ihre Freude an der illustren Gesellschaft im linken Teil unseres Blockes. Hier spielte sich eigentlich alles ab. Im Nachgang dieses Spiels sah ich erst, dass am Zaun ein kleiner Banner hing, den man erst auf den zweiten Blick entziffern konnte. Seitens der Ordner waren aber doch ein paar schlaue Köpfe dabei und rupften das Teil ziemlich fix wieder ab. Über die Aussage und Wertung hülle ich mal den Mantel des Schweigens, das sollen andere machen. Ich denke auf Indymedia ist sicher bald eine Doktorarbeit dazu zu finden.
Die Heimseite zeigte ihrerseits einen „NazIsChweine“-Banner, Cottbus wollte sie auch Abbaggern, sowie einige unlesbare Tapeten. Besser wäre eigentlich, wenn man euch einbuddelt. Die Bandbreite an politischen Fahnen und ihre erwähnten Tapeten bestätigten mich in meiner Haltung, diesen Pissverein einfach zu hassen. Wenn selbst Leute in der eigenen Szene, die selbst links stehen, von einer derartig politisch korrekten Szene nur noch genervt sind, dann ist das schon mehr als aussagekräftig. Zu Beginn der zweiten Halbzeit gab's von selbigen nochmal eine Aktion, die sogar politikfrei war, wieder mit Bengalos. Unsereins veranstalte bereits in der HZ-Pause ein kleines Lagerfeuer.
Als unsere neuen Kumpels irgendwann um die 50. ein Spruchband hochhielten, in dem sie sich gegen eine Verschärfung des Asylrechts aussprachen, waren beide Szene endlich mal auf einer Linie. Nur leider verstanden die Gastgeber unsere Art der Solidarisierung und das fordern weiterer „Asylanten“ nicht. Oder sie verstanden es doch richtig. Denn prompt erklommen einige die Zäune und suchten mittels Platzbegehung unsere Nähe. Refugees welcome! Leider hatte unser Empfangskomitee ähnliche Probleme mit dem Zaun und dem Fangnetz wie die Brüder an den Grenzen zur spanischen Enklave Melilla. Und ehe es richtig Rund gehen konnte, war der Drops auch schon gelutscht. Während der ganzen Nummer flog auch diverses Knall- und Brennmaterial durch die Gegend. So hat ich mir das vorgestellt….nein, natürlich nicht. In Folge dessen wurde das Spiel selbstverständlich unterbrochen und die Spieler forderten etwas Beherrschung von ihrem verzogenen Anhang. „Ich glaube ja…die haben angefangen!“ Viel besser wurde die Unterstützung seitens der 1000 mitgereisten Gäste danach auch nicht, nur der Pöbel am Zaun war jetzt etwas aufgebracht. Viel mehr gibt es von diesem Spiel nicht zu erzählen. Ok, wir haben gewonnen, sind eine Rund weiter und hoffentlich im DFB-Pokal dabei. Aber für einen detaillierten Spielbericht habt ihr diesen Blog sicher nicht angeklickt.



Auch im Anschluss an die Partie blieb auf unserer Seite alles ruhig. Die Freunde in Grün sorgten mittels Absperrung aller Seitenstraßen für eine ruhige Abreise. Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn uns „Gay Skins“ attackiert hätten.
In der Nachbetrachtung blieb das Derby deutlich unter den Erwartungen. Ohne Boykott und mit einem Termin am Wochenende wäre sicher mehr Feuer drin gewesen. Einen derartigen stimmungstechnischen Trauerhaufen habe ich bei einem Spiel dieser Kragenweite selten gesehen. Aber der Fokus lag heute wohl eher woanders. Babelsberg hatte zweifelsfrei einen sehr motivierten Mob, war auch im Stadion sowohl vom Support als auch in ihrem Aktionismus recht ordentlich. Doch letzten Endes befand sich eine überschaubare Truppe aus der Lausitz mehrere Stunden in ihrem Viertel. Die Chance „Faschos zu klatschen“ somit nicht genutzt. Sie sind und bleiben eine Nullnummer. Auch mit ANTIFA im Rücken. Oder gerade deswegen.

Weitere Fotos gibt es bei den Kollegen von Nur Energie , auf FuPa.net und diesem komischen Haufen.


Sonntag, 12. April 2015

04.04.2015 Bron Radom vs RKS Radomiak Radom 1:1

Eigentlich sollte an dieser Stelle der Bericht vom Babelsberg-Pokalspiel stehen, das lieber Wetter und eine beschissene Flutlichtkonstruktion ist jedoch dafür verantwortlich, dass ich mich aus Frust nach einer Alternative umschauen musste und ihr nun zunächst mit diesem Bericht vorliebnehmen müsst.
Die verlorenen Gebiete östlich von Neiße und Oder ( sowie der Rest Osteuropas) gehören ja, Wohnort bedingt, ganz und gar nicht zu meinem "Jagdgebiet". Da ich aber eben Urlaub hatte, eine riesen Hasskappe wegen des versäumten Spiels und erfahrene Polenfahrer in der eigenen Szene, ging ich einfach mal dem bekanntesten von ihnen (nee, nich Gurke) auf die Eier und schon war klar, wo es am Wochenende hingeht. Derby in Radom! Ok, ich müsste schon lügen, wenn ich euch erzähle, dass ich wüsste wer da gegen wen spielt, in welcher Liga und vor allem wo verdammt nochmal Radom liegt! Aber für derartige Fragen gibt es ja Google und unseren Polenhopper. Radom liegt demnach in der Woiwodschaft Masowien, ca. 100 km südöstlich der Hauptstadt Warschau,beheimatet ca. 220 000 Einwohner und eben die beiden Viertligisten Radomiak und Broń Radom. Gut, von Radomiak hatte ich in diversen Heften schon mal gelesen, also nicht komplett unbekannt. Das Kräfteverhältnis in der Stadt dürfte ganz klar bei Radomiak liegen, was auch die zu erwartende Zahl an Gästen unterstreichen sollte. Broń hingegen fristet eher ein Schattendasein, so scheint es mir zumindest. Über die tatsächlichen Hintergründe verweise ich aber lieber auf Fanzines wie die Republikflucht oder die alten Grenzgänger-Ausgaben. Die Jungs haben definitiv mehr ( Achtung, 5 Mark ins Phrasenschwein) "Ahnung von der Materie".
Weil ich manchmal auch etwas Glück habe, zählten genau drei der aktuellen bzw. ehemaligen Schreiber dieser Hefte zu meinen Begleitern (oder eher ich zu ihrem). So war ich immerhin in guten, erfahrenen Händen ( jaja... das klingt nach `nem Besuch bei `ner Nutte) und konnte mir die ca. 550 km von Frankfurt/Oder nach Radom einige Anekdoten anhören. Insbesondere die Südamerika-Storys von Talijan waren schon die Fahrt Wert gewesen. Neben den drei Weltenbummlern fühlt man sich mit dem eigenen bisschen Englandfahrerei wie ein Kleinkind. Um mich von diesen Komplexen zu lösen, ging ich dann doch schon recht früh dazu über, den polnischen Bierspezialitäten meine Aufmerksamkeit zu widmen. Das kann ich wenigstens. Etwa 4 1/2 Stunden später war dann auch schon Radom erreicht. In diesem Zusammenhang sei auch mal die top ausgebaute Autobahn und auch die Bundesstraße gelobt, andernfalls hätten wir wohl die doppelte Zeit benötigt bzw. war das noch vor 4-5 Jahren so. Der Spaß ist allerdings dank Maut nicht ganz preiswert. Schön anzusehen war ebenfalls die Innenstadt, ich hatte da deutlich abgefucktere Örtlichkeiten erwartet. Das neue Stadion von Broń reihte sich in den positiven Gesamteindruck nahtlos ein, wobei mir so 'ne alte Schüssel mit rostigen Zäunen und Holztribünen deutlich besser gefallen hätte. Naja, manchmal läuft es eben zu gut.

Weniger professionell/positiv war das Geier beim Ticketverkauf. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte mal über eine Stunde wegen irgendetwas angestanden habe. Während sich die anderen Drei ihre Presseleibchen besorgten und sich den Marsch von Radomiak zu Gemüte führten, konnte ich mich mit diversen anderen an der "zügigen" Arbeitsweise der Mädels hinter der Scheibe erfreuen. Ich war schon sehr verwundert, mit welcher Gelassenheit die Polen das hinnahmen. Mir platzt bei so etwas ja immer schnell der Kragen. So blieb immerhin ein wenig Zeit, die Broń-Typen zu begutachten die vor den Toren lungerten. Mein letzter Fußballbesuch in Polen liegt ja schon ein paar Jahre zurück, aber ich erinnere mich, dass die Typen ( Arka Gdynia) damals schon eher das waren, was ich mir unter den gefürchteten Polenkloppern vorgestellt hab. Bei Broń streunten eher recht junge Kerls rum, wirkliche Brecher konnte ich an meinen beiden Händen abzählen. Aber auch das hatten mir meine Begleiter schon angedeutet. Broń ist im Vergleich zu Radomiak eine echt kleine Nummer. Auffallend die „Kleidung“ an den Händen. Zunächst dachte ich, die Kunden rennen schon mit bandagierten Händen ins Stadion, was mir zugegebenermaßen die Lust aufs Spiel noch vergrößerte, aber bei genauen Hinsehen entpuppten sich die „Bandagen“ als Fingerlose Handschuhe in den Vereinsfarben. Zwischendrin hörte man immer wieder das laute Donnern der Böller hinter der Gästetribüne, was die Ankunft Radomiaks ankündigte. Mit dem Marsch scheine ich echt auch wirklich etwas verpasst zu haben, doch seht selbst auf dem Video. Imposanter Haufen!

Der Heim-„Mob“ sammelte sich zu Spielbeginn mit schätzungsweise 200 Leuten in der Mitte der Tribüne und legte ohne große optische Aktionen los mit der Unterstützung. Da ich auf der gleichen Tribüne stand, schien es mir zunächst recht laut, als dann aber die Gäste das erste richtige Rohr vom Stapel ließen war klar, wer hier eigentlich ein Heimspiel hat. Es macht immer den Anschein, als würden in Polen nur Kerle zum Fußball gehen, anders kann ich mir die laute und brachiale Akustik dieser Mobs nicht erklären. Ich höre es gerne mal. Um auch was fürs Auge zu bieten, inszenierten die Gäste eine grün-weiße Zettelchoreo, die auch das Gründungsjahr ihres Vereins beinhaltete. Zwischendrin flammten ein paar Fackeln und grüner Rauch empor. Da kann man sich keinesfalls beschweren. Auch diverse Fahnen auf Heimseite ließen keine Wünsche offen. Beim erblicken der „Radomiak Hooligans – Michalow“ Fahne konnte ich mir ungefähr denken, was die ganzen Polenfreaks meinen, wenn sie die Zaunbeflaggung der Polen abfeiern.



Während Radomiak also seine Stimmen strapazierte, trudelten auf der Heimseite nochmal gut zehn Kumpels von Powiślanka Lipsko ein und wurden prompt von Broń gefeiert bzw. die Freundschaft besungen. Laut der „Kenner“ haben die einige gute Typen am Start, die Jungs, die heute dabei waren, hatten maximal „Babelsberg Niveau“. So plätscherte das Spiel dann vor sich hin, bis in der 19. Minute auch ein Tor für Broń fiel. So viel lauter wurden sie im Zuge dessen allerdings nicht. Kann aber auch sein, dass dies durch mein Zittern übertönt wurde, es war nämlich verdammt kalt bzw. ich nicht entsprechend gekleidet. Ewige Warteschlangen, kalt….kann`s noch schlimmer werden? Ja… es gibt kein Bier im Stadion. War mir zwar bekannt, aber trotzdem ein höchst unangenehmer Beigeschmack. Derartige Argumentationen können Leute mit einem moderaten Alkoholkonsum sicher nichts abgewinnen, aber irgendwo muss ich mir ja Luft machen. Den Rest der ersten HZ passierte nicht mehr sonderlich viel und so wartete man eben auf etwas mehr Action in der zweiten Spielhälfte.

In dieser war dann die Heimseite an der Reihe mit etwas Optik, zog eine Blockfahne nach oben, hielt diese ewig lang und zündete dann auch die erwarteten Fackeln und Böller darunter. Die Ornder fanden das ganze so nett, dass sie sich unmittelbar vor den Block stellten um sich mit Böllern und Fackeln bewerfen zu lassen. Ich habe keine Ahnung, welche Strategie man damit verfolgt, aber für mich sieht das in erster Linie einfach nur total behämmert aus. Einen höheren Bildungsabschluss benötigt man für diese Art der Arbeit zumindest mal nicht. Danach kam leider nicht mehr viel von Broń, auch Radomiak konnte nicht an den starken Support in der ersten Hälfte anschließen und so blieb mir nur das Hoffen auf Krawall! Laut der Aussagen meiner Begleiter hatte Broń anscheinend eine Fahne ihrer Rivalen im Gepäck und hätte die sicher auch gern gezeigt/vernichtet. Dann hätten die Gäste auch mit hoher Wahrscheinlichkeit den Platz gestürmt. Aber wie Anfangs erwähnt, hätte Broń dieser Übermacht nicht viel entgegenzusetzen. Wozu klaut man dann eigentlich 'ne Fahne?

Als Radomiak in der 79. Min auch noch den Ausgleich schaffte, war auch meine letzte Hoffnung auf Randale dahin. Es soll einfach nicht sein. Aber gut, das ist schon wieder jammern auf hohem Niveau. Ich durfte hier Zeuge eines Derbys in der vierthöchsten polnischen Spielklasse sein und hab mehr gesehen und vor allem auch gehört als in so manchem beschissenen 1. Liga-Spiel in Deutschland. Da darf man sich nicht beschweren…..wenn die Sache mit dem Bier nicht wäre.
So schnell wie wir gekommen waren, sind wir nach dem Spiel auch wieder abgehauen. Und da der Pole ja ungemein katholisch ist, fiel auch das Abendbrot etwas kleiner aus. Dafür gab es auf dem Heimweg noch die ein oder andere Anekdote zum schmunzeln (oder eher Kopfschütteln?).
„ Hattet ihr eigentlich nach dem Popo-Sex schon mal Kacke am Schwanz?!“
„Nee, ey! Du?“
„Ja, aber ich hab's ihr verschwiegen!“