Babelsberg. Wo soll ich diesen Bericht nur beginnen? Bei der Auslosung, bei der Bekanntgabe des Boykotts oder gar bei der Absage einen Tag vor dem Spiel?
Es müsste im November gewesen sein, als mich die Nachricht erreichte, wer unser Gegner im Halbfinale sein sollte. Die Auswahl war ja ohnehin nicht sonderlich groß. Es war nur die Frage ob im Halbfinale oder Finale.
"Dein krankhaftes Verlangen wird nun endlich gestillt...ihr habt Babelsberg!"
So ungefähr war der Wortlaut einer Textnachricht eines schwarz-gelben Irrläufers aus Hoyerswerda.
Vor Freude hätte ich fast meine UfA-Filme zerruppt und mit dem Filmband den kleinen Muck aufgehängt. Aber ich hab weder alte UfA-Filme, noch war der kleine Muck greifbar. So blieb mir nur ein beherzter Griff in den Bierkasten und anschließend zum Telefon, um diese Freude mit anderen zu teilen.
Doch woher dieses krankhafte Verlangen? Babelsberg ist eine sehr komische Geschichte, es gab eine Zeit, da fand ich den Verein sogar mal ganz nett. Sie hatten um die Jahrtausendwende 'ne kleine Szene, immer ein paar schicke Aktionen und in einer Art Rivalität stand man bis dato ja ohnehin nicht. Sportlich trennten die beiden Vereine stets Welten und so sollte dieses Pokalhalbfinale auch das erste Pflichtspiel gegeneinander werden. Mit der Zeit entwickelte sich Babelsberg jedoch mehr und mehr zum "St.Pauli" des Ostens. Es ist kein Geheimnis, dass die politische Orientierung in der Lausitz in die andere Richtung lief. Selbstredend wurde aus dem bislang neutralen Verhältnis zueinander ein misstrauisches Beobachten. Mit der Zeit wurden die Filmstädter immer mutiger und meinten, Pfeilspitzen in Richtung CB werfen zu können. Aus der linken Ausrichtung in Babelsberg wurde ein immer größeres politisches Engagement für all jene Minderheiten, die sich bislang evtl. gar nicht diskriminiert fühlten: Homos, die Kelly Family, Mutter Erde, Emanzen, Claudia Roth, Zuchtvieh und Flüchtlinge. Ferner wurden aus den Babelsbergern jetzt sogenannte Babelsberger_innen und von nun war man auch auf der Suche nach dem eigenen Geschlecht. In ihrem unerschütterlichen Eifer wurden sie so tolerant, dass sie irgendwann schon wieder intolerant wurden.
Aber warum berührt uns das? Ganz einfach: Wir finden Schwule doof, bringen Schlauchboote auf dem Mittelmeer zum kentern, wählen die NPD, essen sogar das Fleisch ungeborener Delfine, sehen Frauen nur als Nutzvieh für die Kiste oder die Küche und vor allem haben wir riesige Schwänze! Und all das passte unseren neuen Freunden irgendwie überhaupt nicht ins Weltbild.
Einladungen zu Diskussionsrunden bei Gastspielen im Cottbuser Umland, wo man zumindest mal über unsere Vorlieben sprechen könnte, wurden leider stets von Seiten der Potsdamer_innen ausgeschlagen. Also musste wir irgendwann mal selbst vorbei. Doch Jahr um Jahr wurde uns ein Derby im Rahmen des DFB-Pokals verwehrt.
So sollte es nun am 1. April zum langersehnten Kick-off kommen. Doch es wäre zu einfach, wenn im Vorfeld dieser Partie einfach alles glatt liefe. Nachdem Babelsberg endlich den Termin für den Ticketvorverkauf und die entsprechenden Preise bekannt gab, herrschte erstmals großer Unmut über die 15 Euro, die ausgerufen wurden. Seitens unserer Szene wurde daher zum Boykott aufgerufen. Scheiße, das kann es doch echt nicht sein, dachte sich nicht nur meine Wenigkeit und so kotzte ich erst mal etwas ab. Bis zuletzt blieb etwas unklar, ob sich die Gruppen doch noch um entscheiden oder tatsächlich fern bleiben. Schlussendlich entschieden sich doch einige für die Fahrt nach Potsdam, allerdings war im vornherein klar, dass man nicht als Gruppe anreist. Schon allein um den Sicherheitsorganen und Medien die entsprechende Angriffsfläche zu nehmen. Aus der Vergangenheit ist ja bekannt, wie schnell die Gruppen IC und CBR sowie ihre Freunde vorverurteilt werden können. Beweise mal das Gegenteil, wenn seitens der Medien, des Vereins und der Bullen der Übeltäter schon feststeht. Insofern die richtige Entscheidung. Auch wenn es irgendwie schade ist.
Als nun geklärt war, dass man organisiert unorganisiert den Weg in die Landeshauptstadt antritt, auch die Tickets gesichert waren, konnte noch Urlaub eingereicht werden und schon war ich wieder in der Heimat. Was nun folgte war an Wut und Enttäuschung schon lang nicht mehr gesehen. Man stelle sich vor, die Tage vor dem terminierten Derby wird man immer nervöser, man freut sich mehr und mehr auf einen ordentlichen Fußballabend und ein paar Bier mit alten Freunden und mit einem Mal wird sämtliche Vorfreude, im wahrsten Sinne des Wortes, weggeweht. Niklas hieß das kleine Arschloch, seines Zeichens ein heftiger Orkan, der uns diesen Tag versauen wollte. Der Sturm war zugegeben wirklich heftig und die Bedenken seitens der Verantwortlichen sicher berechtigt. Was anfangs nur Gerüchte waren, wurde abends Gewissheit. Absage! Gott hab ich gekotzt. Es gibt mit Sicherheit schlimmeres, aber in diesen Momenten ist einem das Leid von hungernden und flüchtenden Menschen auf dem Rest der Welt herzlich egal. Wie viele bin auch ich der Meinung, dass man wenigstens noch bis zum Vormittag hätte warten können, wie sich der Sturm entwickelt. Am Spieltag selbst war dieser natürlich merklich abgeflacht. Wie wir es auch drehen und wenden, der Tag war gelaufen und die Stimmung ziemlich geknickt (ich schätze, bei den Leuten in Potsdam sah es ähnlich aus). Mein Hoffen auf einen neuen Termin in der darauf folgenden Woche blieb leider unerhört. Wäre auch zu schön gewesen.
Dem Himmel sei Dank konnte ich nach dem Urlaub gleich noch mal zwei Tage Urlaub nehmen und für 'nen schmalen Taler einen dieser Fernbusse in die Hauptstadt buchen. Wie sich das gehört, machte sich auch der fetteste Typ im ganzen Bus neben mir breit. Da steigt die Vorfreude auf 10 Stunden Busfahrt durch die Nacht ins Unermessliche. Hab ich eigentlich schon mal gefragt, warum wir uns sowas immer wieder geben?
Der Spieltag:
Um noch ein paar Getränke zu sich nehmen zu können und das schöne Wetter zu genießen, entschieden sich euer Autor und der „Manager“, schon etwas früher den beschwerlichen Weg in die Landeshauptstadt auf sich zu nehmen. Unsere Lust auf das Geficke durch die Staatsmacht hält sich ja bekanntlich in Grenzen, daher direkt bis zum Bahnhof Potsdam durchgefahren und Babelsberg erst mal links liegen gelassen. Auf der Suche nach einem ordentlichen Biergarten landeten wir dann aber leider doch im besagten Stadtteil, manchmal sitzt der Teufel im Detail. Wie es sich für uns gehört, waren wir natürlich die Ersten in diesem exquisiten Lokal. Mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen nahmen wir im Verlauf der folgenden drei Stunden zur Kenntnis, dass sich auch diverse Herren des Cottbuser Problem-Klientel diese Lokalität zum Treffpunkt gewählt hatten. Wie ihr euch denken könnt, kannten wir keinen dieser komischen Typen und beäugten das Treiben zugegeben sehr argwöhnisch. Zwei Mal fuhr sogar die Staatsmacht vorbei und guckte in etwa genauso wie wir, Handlungsbedarf sah diese aber offenbar nicht. Vermutlich hielt sie diesen kurzhaarigen Haufen für Babelsberger. Nach einem kurzen Augenblick der Unachtsamkeit, war die Truppe aber auf einmal verschwunden. Da wir uns sehr um deren Absichten sorgten, wurde mal ein schneller Schritt eingelegt, um bei eventuellen Zwischenfällen Beweise sammeln und schlichtend eingreifen zu können. Doch, noch bevor ich “Make Love, Not War“ schreien konnte, waren sie schon um die Ecke vor der Heimkurve gebogen und eine Art Chaos schien sich zu entwickeln. Einige schnelle Handgriffe und Beulen später schien das Chaos auch schon wieder aufgelöst und zurück blieben nur ein paar verwirrte Polizisten und gemaßregelte 03er. Zum Zeitpunkt des Eintreffens unserer schnellen Eingreifgruppe befanden sich die vermeintlichen „Verteiler“ auch schon hinter der Polizeikette (die ja eigentlich trennen sollte) und hatten ein seltsames Grinsen auf dem Gesicht. Also da hat jemand ganz schön gepennt...ohohoh.
Bevor nun wirklich der Gästebereich eingenommen werden konnte, machte der Besitzer eines angrenzenden Lokals von sich reden. Dieser schien sichtlich Angst vor den Cottbuser Nazihorden zu haben. Bestellungen wurden nur durch den Türspalt entgegen genommen und die Stühle vor seiner Kneipe gar nicht erst aufgeschlossen. Könnten ja durch die Scheibe fliegen. Mir ist zwar zweifelhaft, was man als Deutscher gegen zwielichtige italienische Wirte haben sollte, aber die werden schon ihre Gründe haben. Wahrscheinlich waren es unsere noch zwielichtigeren Kumpels aus Frankfurt/Oder, die sich davor niedergelassen hatten.
Am Einlass standen wieder dieselben Flachzangen wie beim Spiel in Halle, wobei die Kontrollen diesmal relativ ruhig abliefen und die Wichtigtuerei der Ordner sich deutlich in Grenzen hielt. In Folge unseres Alkoholproblems und dem seltenen Angebot von alkoholischen Getränken bei Risikospielen, betraten wir etwas zu spät den Block, um den schwarzen Rauchpilz aus CB zu begaffen. Immerhin wurden wir noch Zeuge des Intros der Geschlechtslosen im Nachbarblock. Um Vollbart und Lippenstift vor unseren intoleranten Blicken zu schützen, saßen diese nämlich mit Sturmmasken und mit Bengalos bewaffnet auf dem Zaun und wedelten mit diesen wild herum. Konnte sich sehen lassen, war aber auch nichts Besonderes. Aufgrund der mageren Aktionsbreite und des noch schlechteren Supports aus dem Gästebereich, will ich mich hier aber auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Bezüglich der optischen Unterstützung kann man sich ja immerhin noch auf den eigentlichen Boykott berufen, aber der akustische lief überhaupt nicht. Meines Erachtens fast schon ein Armutszeugnis, wenn man ohne Einpeitscher gar nichts mehr auf die Reihe bekommt. Doch so hatten die Babelsberger_Innen wenigstens ihre Freude an der illustren Gesellschaft im linken Teil unseres Blockes. Hier spielte sich eigentlich alles ab. Im Nachgang dieses Spiels sah ich erst, dass am Zaun ein kleiner Banner hing, den man erst auf den zweiten Blick entziffern konnte. Seitens der Ordner waren aber doch ein paar schlaue Köpfe dabei und rupften das Teil ziemlich fix wieder ab. Über die Aussage und Wertung hülle ich mal den Mantel des Schweigens, das sollen andere machen. Ich denke auf Indymedia ist sicher bald eine Doktorarbeit dazu zu finden.
Die Heimseite zeigte ihrerseits einen „NazIsChweine“-Banner, Cottbus wollte sie auch Abbaggern, sowie einige unlesbare Tapeten. Besser wäre eigentlich, wenn man euch einbuddelt. Die Bandbreite an politischen Fahnen und ihre erwähnten Tapeten bestätigten mich in meiner Haltung, diesen Pissverein einfach zu hassen. Wenn selbst Leute in der eigenen Szene, die selbst links stehen, von einer derartig politisch korrekten Szene nur noch genervt sind, dann ist das schon mehr als aussagekräftig. Zu Beginn der zweiten Halbzeit gab's von selbigen nochmal eine Aktion, die sogar politikfrei war, wieder mit Bengalos. Unsereins veranstalte bereits in der HZ-Pause ein kleines Lagerfeuer.
Als unsere neuen Kumpels irgendwann um die 50. ein Spruchband hochhielten, in dem sie sich gegen eine Verschärfung des Asylrechts aussprachen, waren beide Szene endlich mal auf einer Linie. Nur leider verstanden die Gastgeber unsere Art der Solidarisierung und das fordern weiterer „Asylanten“ nicht. Oder sie verstanden es doch richtig. Denn prompt erklommen einige die Zäune und suchten mittels Platzbegehung unsere Nähe. Refugees welcome! Leider hatte unser Empfangskomitee ähnliche Probleme mit dem Zaun und dem Fangnetz wie die Brüder an den Grenzen zur spanischen Enklave Melilla. Und ehe es richtig Rund gehen konnte, war der Drops auch schon gelutscht. Während der ganzen Nummer flog auch diverses Knall- und Brennmaterial durch die Gegend. So hat ich mir das vorgestellt….nein, natürlich nicht. In Folge dessen wurde das Spiel selbstverständlich unterbrochen und die Spieler forderten etwas Beherrschung von ihrem verzogenen Anhang. „Ich glaube ja…die haben angefangen!“ Viel besser wurde die Unterstützung seitens der 1000 mitgereisten Gäste danach auch nicht, nur der Pöbel am Zaun war jetzt etwas aufgebracht. Viel mehr gibt es von diesem Spiel nicht zu erzählen. Ok, wir haben gewonnen, sind eine Rund weiter und hoffentlich im DFB-Pokal dabei. Aber für einen detaillierten Spielbericht habt ihr diesen Blog sicher nicht angeklickt.
Auch im Anschluss an die Partie blieb auf unserer Seite alles ruhig. Die Freunde in Grün sorgten mittels Absperrung aller Seitenstraßen für eine ruhige Abreise. Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn uns „Gay Skins“ attackiert hätten.
In der Nachbetrachtung blieb das Derby deutlich unter den Erwartungen. Ohne Boykott und mit einem Termin am Wochenende wäre sicher mehr Feuer drin gewesen. Einen derartigen stimmungstechnischen Trauerhaufen habe ich bei einem Spiel dieser Kragenweite selten gesehen. Aber der Fokus lag heute wohl eher woanders.
Babelsberg hatte zweifelsfrei einen sehr motivierten Mob, war auch im Stadion sowohl vom Support als auch in ihrem Aktionismus recht ordentlich. Doch letzten Endes befand sich eine überschaubare Truppe aus der Lausitz mehrere Stunden in ihrem Viertel. Die Chance „Faschos zu klatschen“ somit nicht genutzt. Sie sind und bleiben eine Nullnummer. Auch mit ANTIFA im Rücken. Oder gerade deswegen.
Weitere Fotos gibt es bei den Kollegen von
Nur Energie , auf
FuPa.net und diesem
komischen Haufen.