Sonntag, 26. Februar 2017

Stockholm Wochenende - Herbst 2016

Mangels Attraktivität in den englischen Ligen , entschied sich unsere Reisegruppe, in der Hinrunde der Saison 16/17 für ein Wochenende in der schwedischen Hauptstadt. Nun sind die vier üblichen Verdächtigen aber immer furchtbar busy, was das Finden eines gemeinsamen Termins ungemein schwierig gestaltete. Als die Abwesenheit des Managers und des Anwalts traurige Gewissheit wurde, blieben also nur noch der Offenbacher und meine Wenigkeit übrig. Geeinigt wurde sich somit relativ zügig auf das Derby-Wochenende von Hammarby vs. Djurgarden im Oktober. Wir wären aber nicht wir, wenn nun alles geklappt hätte. Nicht einmal 15 min. nachdem mit dem Eintippen des dreistelligen Sicherheitscodes die Bezahlung bei Scandinavian Airlines bestätigt wurde, blinkte mein Mobiltelefon schon wieder und deutete eine Nachricht meines Begleiters an. Nun, was soll ich sagen. Überaus unprofessionell hatte ich mich am Spielplan auf der "Kicker"-Homepage orientiert und vollkommen vergessen, die des schwedischen Verbands zur Bestätigung in Erwägung zu ziehen. Der Offenbacher signalisierte daher mittels einer (unter Erregung eingetippten) Kurzmitteilung, dass mir da ein Fehler unterlaufen sei. Langer Rede kurzer Sinn: Statt wie gedacht am Sonntagabend, war die Partie am Montagabend angesetzt. Und damit ca. vier Stunden nach unserem Abflug zu Deutschlands größtem Flughafen. Alternativen waren jedoch schnell gefunden, wenn auch nicht von vergleichbarer Qualität. 

Am Freitag den 14.10. hob die Maschine also mit zwei trinkfreudigen Gesellen an Bord ab nach Stockholm. Der Plan, sich bereits im Flieger auf ein gewisses Basislevel zu bringen, wurde jedoch von den knausrigen Gesellen von SAS vereitelt. Wenn man nur noch sieht, wie lang der Bus vom Flughafen Arlanda zum Hauptbahnhof gebraucht hat, hätte ich auch mit RyanAir zu diesem Airport im Nirgendwo fliegen können. SAS finden wir also scheiße! Unsere Unterkunft sollte für die nächsten drei Nächte ein Hotel-Schiff am Nordufer Södermalms sein (wie schon bei meinem letzten Schwedenaufenthalt in Göteborg sieben Jahre zuvor). Viel Komfort war nicht geboten, aber die schnuckelige Kneipe an Bord dieser Nussschale wusste zu gefallen und wurde umgehend nach dem Check-In von uns belagert. Nach den ersten vier Bier und dem obligatorischen Gemaule über die unverschämten Preise, wurden wir auf Touri-Infos an der Tür aufmerksam, bei denen auch eine Kneipen Straße namens "Götgatan" in unserer unmittelbaren Umgebung beworben wurde. Es war eine Frage der Ehre, dass wir jenem Strich der Gastwirte einen Besuch abstatten. Vom Schmollen wird‘s auch nicht billiger und wozu gehen wir denn arbeiten?! Kurzum, der Abend gestaltete sich sehr unterhaltsam und auch mit den Schweden kam man sehr schnell ins Gerede, leider verstanden wir unsere Worte mit zunehmender Stunde selbst nicht mehr so ganz und zogen um Mitternacht und mit reichlich Schlagseite zurück in unsere Kojen.

Als die Sonne endlich wieder unser Zimmer erhellte, hatten wir natürlich ein paar Anlaufschwierigkeiten. Hunger, Durst und die Neugierde trieben uns dennoch vor die Tür. Schließlich galt es, die Stockholmer Innenstadt zu entdecken. Ich war zwar schon einmal hier, aber es ist doch etwas anderes ob man mit `nem Kumpel oder mit der Perle eine Stadt besucht. Folglich wurden immer mal wieder Etablissements mit Zapfhähnen aufgesucht und den schwedischen Schönheiten hinterher gegafft. Ich glaube, die Frauen in Schweden sind nun nicht unbedingt schöner als die Deutschen, aber die Art und Weise wie sich kleiden hat schon eine gewisse Klasse, die das Bild der begehrten Skandinavierinnen abrundet. Wir hatten es also nicht besonders eilig und lebten etwas in den Tag hinein. Erst am späten Nachmittag stand ein fester Programmpunkt auf unserer Agenda. Unweit der neuen Heimstätte von Hammarby, wo die Kollegen aus Köpenick 2 ½ Jahre zuvor noch mit den Wikingern auf dem Platz kämpften, sollte im „Hovet“ der Puck über das Eis gleiten. 

Sonnabend 15.10.2016 Djurgarden IF vs Örebro HK (Eishockey) 0:3 

Nach etwas Recherche im Internet schien uns die Partie Djurgarden vs. Örebro eine schöne Alternative zu Kneipen- und Stadtbummel zu sein. Zumal sich beim Eishockey doch hin und wieder ganz ordentliche Haufen zusammenfinden und für Stimmung sorgen. Ich habe nicht sonderlich viel Ahnung vom Eishockey, aber da ich ja einen Fachmann neben mir hatte, war dieses und jenes doch ganz interessant. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig finde ich die Trink-„Kultur“ (oder eher Regularien) der Schweden. In England darf ja auch nicht am Platz getrunken werden, aber hier steckt man die „Säufer“ zusätzlich in einen gänzlich abgetrennten Bereich. Ähnliches ist mir schon bei einem Konzert in Stockholm ein paar Jahre zuvor aufgefallen. Der Sinn bleibt mir ehrlich gesagt etwas verschlossen. Einen Vergleich zu England muss ich dennoch bringen. Während im UK wirklich auf alles (und gerade auf Verbote) zig mal und unter Androhung von Strafen hingewiesen wird, findet man hier einfach gar nichts. Trinken auf öffentlichen Plätzen bzw. auf der Straße? Null Verbotsschilder, aber man sieht auch niemanden der es macht. Außer zweier unwissender Teutonen. Zum Spiel: Beim Eishockey ist ja schon `ne Menge Show dabei. Riesen Licht-Show, Feuerwerk auf dem Eis usw. Drama – Drama - Drama. Man hätte meinen können, es geht um die Meisterschaft, als das Licht dann aber wieder anging und den Blick auf den Rest der Halle freigab, war die Hoffnung auf ein Stimmungsfeuerwerk wie weggeblasen. Gesänge und Schlachtrufe waren eher sporadisch zu vernehmen und wurden auch nur selten vom Rest des Publikums mitgetragen. Der Vorteil einer eher spärlich gefüllten Arena macht sich jedoch in der Beinfreiheit bemerkbar. Da hatten wir mit unseren Plätzen schon wirklich Schwein. Gute Sicht aufs Eis und die Kurve, und ganz nebenbei konnte man da schön rumlümmeln. Ein vernünftiges Bier wäre was tolles gewesen…. lassen wir das. Auf dem Eis sorgten die Hausherren leider auch nicht dafür, die Unterstützung durch ihren Anhang zu heben. Dreimal klingelte es im Tor von Djurgarden. Dafür hörte man den kleinen Haufen der Gäste aus dem 200 km entfernten Örebro zum Ende hin immer mal wieder. Mehr gibt es von dieser Partie leider nicht zu erzählen. Wenn man mal da ist und nichts anderes anliegt, kann man sich Eishockey schon mal geben. Wirklich interessant wird es vermutlich eh erst in den Playoffs. Diese Vermutung lassen zumindest die Videos im Internet zu. 

Im Anschluss an das Spiel gönnten wir uns in der Stockholmer Altstadt (Gamla Stan) erstmal ein teures Abendmahl, das sich als gar nicht mal so gut herausstellte. Die Getränke in den zahlreichen Pubs in der engen Gassen waren auch nicht teurer oder billiger als in der Kneipenstraße Götgatan, daher verbrachten wir hier auch noch ein paar Stunden bei Bier, Weib und brennendem Frauenhaar. So geschah es, dass eine junge Frau etwas zu nahe an unseren (sehr hohen) Tisch kam und ihr langes Kopfkleid zu nah an die darauf befindliche Kerze. Dank der Reaktion ihres männlichen Begleiters blieb ihr jedoch der Spitzname „Niki Lauda“ erspart. Ein Ami, der das Ganze beobachte, quatschte die Alte mit einem trockenen „ Oh Baby, you`re on fire!“ an. Das anschließende Gelächter in der Pinte baute die junge Frau vermutlich nicht gerade auf. Wir zogen es dann aber vor, die Kneipen in Götgatan zu vervollständigen und sollten das, laut unseren Kreditkartenabrechnungen, auch geschafft haben. Apropos, die Schweden sind auf dem besten Wege, das Bargeld komplett abzuschaffen. Daher empfiehlt es sich, unbedingt eine Geldkarte mit sich zu führen. Beim Eishockey wurde ich beispielweise ziemlich blöde angeguckt als ich mit Bargeld zahlen wollte. Keine Chance.


16.Oktober 2016 AIK Solna vs Östersunds FK 2:0 

Glücklicherweise haben die meisten Hauptstädte Europas gleich mehrere große und kleine Vereine zu bieten, die es zu besuchen lohnt. Da wir ja das Derby erfolgreich verkackt hatten, musste nun eben die Truppe aus dem Stockholmer Stadteil Solna herhalten. Mir fehlt ehrlich gesagt etwas die Kenntnis, wie genau in Stockholm die Kräfteverhältnisse verteilt sind, aber anhand der zahlreichen Videos und Berichte in diversen Fanzines usw. hatte ich auf jeden Fall den Eindruck, dass AIK in Sachen Krawall eine Spitzenposition einnimmt. Und was anderes wollen wir ja eh nicht sehen. Selbstverständlich hatten wir nicht mit irgendwelchen Entgleisungen der AIK Szene gegen solch namenhafte Gegner wie Östersunds FK gerechnet, sehen wollten wir das Spiel trotzdem. Die Fahrt raus nach Solna dauert etwa 10 Min. ab Stockholm Central. Auf dem Weg zur "Friends Arena" muss man, strategisch clever, durch eine riesige Shopping Mall. Wir nutzten dieses Einkaufszentrum eher für ein/zwei Getränke. Denn viel gab es sonst nicht in dieser Gegend. Ähnlich wie am neuen Hammarby/Djurgarden Ground, besteht in Solna alles aus charakterlosen Neubauten zum Wohnen und Konsumieren. Grauenhaft! Es wurmt mich schon etwas, nicht schon früher hier gewesen zu sein und Spiele von AIK im alten Rasunda und der beiden anderen Stockholmer Vereine in ihrer alten Heimstätte gesehen zu haben. Für die Fans der Vereine muss das ebenfalls bitter sein. Dennoch kann ich nicht leugnen, dass uns der Komfort und die weichen Sitzen auf der Haupttribüne irgendwie gefallen haben. 35 Euro kostete der Luxus. Wenn man sieht, was man in Deutschland für das Geld bekommt (nichts), ist das schon eine nette Sache. Ebenso wie Kuchen und Kaffee, die in der HZ-Pause in den edlen Katakomben des Stadion gratis zur Verfügung stehen. Ich dachte zunächst wirklich, wie wären im VIP-Bereich, aber der sah noch einmal ein Stück edler aus. Besonders überzeugen konnte die Bar, wenn auch die Preise....naja...Schweden halt. Wir beließen es bei Kaffee und Kuchen. Auf den Rängen war auch eher Kaffee und Kuchen Atmosphäre angesagt. Der Ultra-Pöbel sang zwar seine 90 Minuten durch, aber im Grunde hätten das auch das emotionslose Gejaule aus Reutlingen sein können. Melodien und Gesängen waren selten neu. Die Mitmachquote war auch eher bescheiden. Und kälter als beim Eishockey war es auch. Nur bei den zwei Toren bekamen wir einen kleinen Vorgeschmack, was für Potential in der Kurve steckt. Also wie überall. Derbys hui, Ligaalltag pfui. Einen rein sportlichen Aspekt lasse ich, wie immer, einfach außen vor. Oder interessiert das hier gerade wirklich jemanden? Auf dem Rückweg in die City wurden wir an der Station Solna noch Zeuge, wie kurz die Zündschnur bei einigen jungen Schweden zu sein scheint. Zunächst dachten wir, die Hausherren hätten ein paar Gäste am Schlawittchen, aber stattdessen waren es die Kontrolleure der lokalen Verkehrsbetriebe, die wenig Verständnis für die Erschleichung von Dienstleistungen der jungen schwedischen Problemfälle hatten. Viel Geschubse, viel Gebrüll....tja, das war die einzige Action die wir an dem Wochenende hatten.



Zum Abschluss trotzten wir noch einmal dem frechen Preisniveau und hauten uns beim "Wikinger" (sollte mir der Name irgendwann wieder einfallen, reiche ich ihn nach) in Gamla Stan den Bauch voll. Die Lokalität war wirklich empfehlenswert. Auch wenn es ein ziemlicher Touri-Nepp ist. Who cares?! Mit vollem Bauch und Büchsenbier im Beutel machten wir es uns nochmal im Hinterzimmer unserer Hotel Bar gemütlich, ehe es völlig verarmt und müde zurück in die Kiste ging. Im Großen und Ganzen ist Stockholm schon eine sehr geile Stadt, wenn auch die Preisgestaltung der Skandinavier etwas auf die Spaßbremse drückt. Vergisst man das einfach mal für einen Moment (was nach dem fünften Bier und durch die Bezahlung mit Visa/EC-Karte zunehmend leichter fällt), kann man hier schon ordentlich den Elch fliegen lassen. 

Die Stadt sieht mich wieder...