Donnerstag, 28. Juli 2011

Fortuna meets Millwall - ein älterer Düsseldorfer im Interview

Wie sich die Mehrheit meiner Leserschaft sicher denken kann, bin ich weder der erste noch der einzige Deutsche, der zum und mit dem Millwall Football Club fährt. Deswegen wurde für euch mal ein älterer Düsseldorfer aus den Anfangsjahren der "Düsseldorfer Bushwackers" von mir mit Fragen rund um die Süd Londoner und seiner Fortuna gelöchert. Ich möchte ja nicht, dass ihr euch langweilt.







Hallo D. , zunächst einmal vielen Dank, dass du mir deine wertvolle Zeit schenkst und mir etwas hilfst, diesen Blog mit einem Interview aufzuwerten. Zu welcher Bande du gehörst (bzw gehört hast), habe ich zwar in meiner kleinen Einleitung kurz angeschnitten, dennoch würde ich dich bitten den Lesern kurz zu erläutern wer du bist und was du so machst.


ich heisse d. , bin 1895 jahre, verheiratet und habe einen 10-jährigen sohn. keine weiteren angaben



So, nun zur ersten richtigen Frage zum Thema Millwall: Wie und wann genau bist du denn auf diesen Verein aufmerksam geworden, warst du vorher schon mal in England oder wie ist es dazu gekommen, dass dieser Verein dein Interesse geweckt hat. Internet und große BBC Reportagen gab es ja damals eher nicht.

da ich seit 1983 nach england zu fussballspielen fahre, wird man zwangsläufig auf millwall aufmerksam, das lässt sich gar nicht vermeiden.


Warst du einer der ersten Düsseldorfer, die dort waren oder gingen deinen späteren Besuchen auf der Insel schon diverse Kontakte voraus?

ich war zumindest der erste düsseldorfer, der wirklichen kontakt zur "richtigen" bande von millwall bekommen hat.




Millwall hat ja immer noch den Ruf, dass Fremde speziell bei den Jungs fürs Grobe nicht sonderlich gern gesehen sind, wie wurdet ihr denn damals aufgenommen? Gab`s da Schwierigkeiten oder haben sich die Leute einfach nur gefreut, dass sich da ein paar „Krauts“ für ihren sportlich eher erfolglosen Verein interessierten?

da ich über einen in england sehr angesehenen und respektierten der chelsea "headhunters" den kontakt zu millwall hergestellt bekam, wurde ich sehr freundlich aufgenommen. es gab und es gibt aber weiterhin schwierigkeiten bei fremden, gerade in bezug auf die richtige millwall bande. man sollte auch aufpassen, zu welchem spiel man fährt, gerade in england ist undercover ein grosses thema, daher ist das misstrauen stark ausgeprägt. ich habe es bereits mehrere male erlebt, dass leute von der firm zu mir gekommen sind und mir gesagt haben, da sind deutsche, sage denen bitte, sie sollen den pub verlassen. dies war hauptsächlich zu der zeit des "golden lion". gerade auch in dieser saison sollte man vorsichtig sein, und genau überlegen zu welchem spiel man fährt. gerade diese saison bei den risikospielen von millwall ist vorsicht geboten, insbesondere bei millwall-west ham muss man sehr aufpassen. zu diesem spiel werden leute kommen, die seit jahren nicht mehr dabei waren und da ist es ratsam sich in der nähe der leute aufzuhalten, die man kennt.





Kannst du dich an ein paar Spiele erinnern, die dir besonders im Gedächtnis blieben bzw. weißt du überhaupt noch wie oft du mit den Lions unterwegs warst? Ich gehe mal davon aus, dass du aufgrund deines Alters schon einige Kracher erlebt hast.


ja, richtig, ich habe schon einige kracher erlebt, 1999-2001 waren sehr gute jahre, da ging immer was, cardiff home mit 900 leuten die cops angegriffen, um an die soul crew zu kommen, bristol city away, pompeys away stadion gestürmt und home end angegriffen, forest home, da wurden deren kleinbusse angezündet, letzte saison qpr away. mein "all time favourite/highlight" wird aber immer die wm98 bleiben, als ich mit den engländern in marseille war anlässlich des spiels tunesien-england. man sollte eher sagen wegen des "rahmenprogramms"! nicht von ungefähr war ich ja dann am spieltag auf etlichen titelseiten diverser europäischer tageszeitungen abgebildet. so etwas wie an diesen beiden tagen habe ich noch nie erlebt und werde es wohl auch nie wieder erleben. 2 tage dauerkrawalle, völliges chaos und permanente scharmützel an jeder ecke. höhepunkt der rückmarsch nach dem spiel in der nacht vom pub im hafen zum hbf mit 50 huddersfield leuten. auf der grossen einkaufsstrasse vom hafen hoch zum hbf wurden wir permanent von ca. 300 arabs, nordafrikanern und marseille leuten immer wieder angegriffen und sind nie aus der mitte der strasse gewichen, weltklasse!






Apropos „Kracher“, inwiefern wart ihr als Deutsche denn überhaupt in die Geschehnisse abseits des Stadions involviert, galt es da eher die Füße still zuhalten oder ließ man sich dann doch einfach mal mit dem Strom fließen?


grundsätzlich bin ich "gast" der bande und alle passen auf einen auf, auch wenn die cops kommen, man kann sich aber immer mit dem strom fliessen lassen. mein bremer kollege war bei qpr away letzte saison z.b. ganz vorne dabei.


Ein weiteres nicht unerhebliches Thema im britischen Fußball ist ja die Mode, wie habt ihr das wahrgenommen bei euren ersten Besuchen und wie hat sich das auf euch und eure Szene in Düsseldorf ausgewirkt?

ja, die mode. sicher ein wichtiges thema und "stone island", "burberry", "henrylloyd", "hackett" sind hier zu nennen. bei millwall ist dies aber nicht so stark ausgeprägt wie das beispielweise bei den northern oder midland firms ist oder in cardiff. gerade millwall und besonders die "alte" treatment bande zelebrieren eher "millwall fashion", immer ein wenig anders und viellicht auch wenig ungepflegt. ich sage nur, kaputte turnschuhe, jogginghose und ledermantel.


Würdet ihr soweit gehen und sagen das ihr durch eure Nähe zu den Engländern einer der ersten Banden in Deutschland wart, die sich diesem Casual Style annahmen oder gab es da schon andere die besonderen Wert darauf legten, sich etwas in Schale zuwerfen?

nein, in keinem falle. sicher kam der "stone island" hype hauptsächlich aus england zu uns, aber ich möchte die alten zeiten in den 80gern und anfang der 90ger mit "chevignon", "best company" und "adidas torsion" nicht missen, nicht zu vergessen: der regenschirm! das war unser style und das kam nicht aus england.





Um direkt mal auf deinen Heimatverein oder besser auf eure Bande zu kommen: Woher ihr den Namen habt, ist vermutlich jedem klar, gab es da eigentlich auch mal Besuche aus London und wie groß ist allgemein das Interesse der Engländer an der Deutschen Szene und Düsseldorf im Speziellen? Stichwort FWW Kämpfe, Ultras etc


es gab bereits besuche der treatment leute in düsseldorf, auch von meinem chelsea kumpel, nicht zu vergessen, die abordnung beim spiel in bochum, letzte saison, du warst selbst dabei. die älteren leute von millwall können mit der ultras kultur wenig anfangen, die jüngeren setzen sich zumindest mal kurz damit auseinander und man diskutiert das schon mal. zu dem thema "sportveranstaltung" im wald oder auf der wiese nur soviel: ich habe bei meinem letzten spiel gegen swansea klar gesagt bekommen, dass man die jungs, die daran teilnehmen, nicht bei millwall sehen will, schon gar nicht bei den highlights wie west ham oder cardiff.


In den Videos von Auseinandersetzungen auf der Insel oder auch in Büchern von den unterschiedlichsten englischen Vereinen sieht bzw liest man immer wieder, dass der Gebrauch von Waffen wie Stanley Messern, CS Gas, Ammoniak, Äxten etc zum guten Ton zu gehören scheint. Speziell in den Videos gibt es nicht wenige Szenen in denen ziemlich hart auf am Boden liegende eingetreten wird und das auch ganz gern mal von mehreren gleichzeitig. Kann man sagen, dass es im UK generell rüder und rücksichtsloser zugeht oder kommt einem das nur so vor?


kein kommentar, ich weiss, wer die millwall bande letzte saison beim carling cup in west ham angeführt hat und wie das abgelaufen ist.




Ich war ja nun im Februar mit dir bzw der Fortuna in Bochum und war ziemlich beeindruckt was Düsseldorf trotz jahrelangen sportlichen Tiefgangs immer noch für einen riesigen Haufen zusammen bekommt. Was würdest du schätzen, was ihr bei Spitzenspielen noch auf die Beine stellen könnt? Schließlich werdet ihr nicht jünger und die junge Generation zieht ihr Ding aufgrund der staatlichen Repressalien etc eher auf irgendwelchen Feldern und Wiesen durch.

ehrlich gesagt, weiss ich das nicht genau, aber ich denke, bei der hochkarätigen liga 2 diese saison sind wir alle in ein paar monaten schlauer. wichtig in meinen augen ist aber der zusammenhalt aller gruppen


Zum Abschluß möchte ich gern nochmal kurz auf das Thema dieser „Acker Boxereien“ kommen. Was haltet gerade ihr Älteren davon? Mir persönlich fehlt bei dieser ganzen Geschichte vollkommen der Bezug zum Fußball (den meisten Bürgern wird zwar ohnehin nicht klar sein, wo generell ein Bezug zwischen Gewalt und Fußball besteht, aber das soll nicht das Thema sein) Und wo siehst du die Deutsche Szene in der Zukunft?

ich halte davon gar nichts, möchte mir hier auch kein urteil darüber erlauben. es ist aber auch nicht meine generation. meiner meinung nach hat das nichts mit fussball zu tun, leider wird aber meist ein bezug zum fussball hergestellt, was das gefüge der szene doch manchmal in mitleidenschaft zieht.

ich bin ein kind der 80er mit stehterrassen, mobs mit mehreren hundert leuten, cops, die das nur am rande interessiert hat, anzeigen gab es kaum, meist nur pg. die rahmenbedingungen haben sich komplett gewandelt. den fussball, den ich kennengelernt habe und mit dem ich aufgewachsen bin, gibt es nicht mehr. live fussball in der heutigen zeit zu gucken war niemals sicherer, mehr frauen und kinder kommen zu den spielen, strikte fan trennungen, kameraüberwachung überall. stadien ohne stehplätze, sogenannte "allticket" spiele, an denen keine tickets am spieltag verkauft werden. alles massnahmen, um die bösen fussball randalierer aus den stadien zu verdammen. so entstand eine völlig neue besucherstruktur bei den spielen, im gedanken daran, dass randale im stadion ein relikt der vergangenheit ist. wo ist er geblieben, der miefige bratwurstgeruch an den buden, abgestandener biergeschmack vermischt mit dem geruch von feuchtem, durchnässtem rasen? nun gibt es champagner, vip logen und die bratwurst kommt neumodern von einem caterer. stehterrassen sind mangelware, singen, klatschen und sich aufregen sind eigentlich verpönt. der neue fussball heisst soccer, und es ist schick, neben popstars, models, politikern, schauspielern und reichen russischen oligarchen oder scheichs zu sitzen. diese celebrities haben die ben sherman und basball caps tragenden soccer casual verdrängt. das eine ding aber, das niemals verschwinden wird ist die rivalität unter den "richtigen" fussball fans, ich meine die spiele, die man liebt, weil man den gegner und dessen fans hasst. es sind diese spiele, die man gewinnen muss, damit du am montagmorgen erhobenen hauptes zur arbeit gehen kannst, weil deine mannschaft den ärgsten rivalen besiegt hat. verliert dein team kannst du der welt nicht ins gesicht schauen. Rivalität ist nichts neues, es ist gewachsen aus der historie, des lokalderbys, der geographischen nähe und besteht seit es fussball gibt. meiner meinung nach liegt es an uns selbst, diese subkultur der "soccer casuals" nicht sterben zu lassen. auch denke ich, die ultragruppierungen können diese kultur erhalten und am leben erhalten. es ist wichtig, dass die "terrace culture" ihren platz im stadion behält!

Danke für dieses Interview! Es war mir eine Ehre!







Luton Town vs Millwall 1985


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