Sonntag, 12. April 2015

04.04.2015 Bron Radom vs RKS Radomiak Radom 1:1

Eigentlich sollte an dieser Stelle der Bericht vom Babelsberg-Pokalspiel stehen, das lieber Wetter und eine beschissene Flutlichtkonstruktion ist jedoch dafür verantwortlich, dass ich mich aus Frust nach einer Alternative umschauen musste und ihr nun zunächst mit diesem Bericht vorliebnehmen müsst.
Die verlorenen Gebiete östlich von Neiße und Oder ( sowie der Rest Osteuropas) gehören ja, Wohnort bedingt, ganz und gar nicht zu meinem "Jagdgebiet". Da ich aber eben Urlaub hatte, eine riesen Hasskappe wegen des versäumten Spiels und erfahrene Polenfahrer in der eigenen Szene, ging ich einfach mal dem bekanntesten von ihnen (nee, nich Gurke) auf die Eier und schon war klar, wo es am Wochenende hingeht. Derby in Radom! Ok, ich müsste schon lügen, wenn ich euch erzähle, dass ich wüsste wer da gegen wen spielt, in welcher Liga und vor allem wo verdammt nochmal Radom liegt! Aber für derartige Fragen gibt es ja Google und unseren Polenhopper. Radom liegt demnach in der Woiwodschaft Masowien, ca. 100 km südöstlich der Hauptstadt Warschau,beheimatet ca. 220 000 Einwohner und eben die beiden Viertligisten Radomiak und Broń Radom. Gut, von Radomiak hatte ich in diversen Heften schon mal gelesen, also nicht komplett unbekannt. Das Kräfteverhältnis in der Stadt dürfte ganz klar bei Radomiak liegen, was auch die zu erwartende Zahl an Gästen unterstreichen sollte. Broń hingegen fristet eher ein Schattendasein, so scheint es mir zumindest. Über die tatsächlichen Hintergründe verweise ich aber lieber auf Fanzines wie die Republikflucht oder die alten Grenzgänger-Ausgaben. Die Jungs haben definitiv mehr ( Achtung, 5 Mark ins Phrasenschwein) "Ahnung von der Materie".
Weil ich manchmal auch etwas Glück habe, zählten genau drei der aktuellen bzw. ehemaligen Schreiber dieser Hefte zu meinen Begleitern (oder eher ich zu ihrem). So war ich immerhin in guten, erfahrenen Händen ( jaja... das klingt nach `nem Besuch bei `ner Nutte) und konnte mir die ca. 550 km von Frankfurt/Oder nach Radom einige Anekdoten anhören. Insbesondere die Südamerika-Storys von Talijan waren schon die Fahrt Wert gewesen. Neben den drei Weltenbummlern fühlt man sich mit dem eigenen bisschen Englandfahrerei wie ein Kleinkind. Um mich von diesen Komplexen zu lösen, ging ich dann doch schon recht früh dazu über, den polnischen Bierspezialitäten meine Aufmerksamkeit zu widmen. Das kann ich wenigstens. Etwa 4 1/2 Stunden später war dann auch schon Radom erreicht. In diesem Zusammenhang sei auch mal die top ausgebaute Autobahn und auch die Bundesstraße gelobt, andernfalls hätten wir wohl die doppelte Zeit benötigt bzw. war das noch vor 4-5 Jahren so. Der Spaß ist allerdings dank Maut nicht ganz preiswert. Schön anzusehen war ebenfalls die Innenstadt, ich hatte da deutlich abgefucktere Örtlichkeiten erwartet. Das neue Stadion von Broń reihte sich in den positiven Gesamteindruck nahtlos ein, wobei mir so 'ne alte Schüssel mit rostigen Zäunen und Holztribünen deutlich besser gefallen hätte. Naja, manchmal läuft es eben zu gut.

Weniger professionell/positiv war das Geier beim Ticketverkauf. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte mal über eine Stunde wegen irgendetwas angestanden habe. Während sich die anderen Drei ihre Presseleibchen besorgten und sich den Marsch von Radomiak zu Gemüte führten, konnte ich mich mit diversen anderen an der "zügigen" Arbeitsweise der Mädels hinter der Scheibe erfreuen. Ich war schon sehr verwundert, mit welcher Gelassenheit die Polen das hinnahmen. Mir platzt bei so etwas ja immer schnell der Kragen. So blieb immerhin ein wenig Zeit, die Broń-Typen zu begutachten die vor den Toren lungerten. Mein letzter Fußballbesuch in Polen liegt ja schon ein paar Jahre zurück, aber ich erinnere mich, dass die Typen ( Arka Gdynia) damals schon eher das waren, was ich mir unter den gefürchteten Polenkloppern vorgestellt hab. Bei Broń streunten eher recht junge Kerls rum, wirkliche Brecher konnte ich an meinen beiden Händen abzählen. Aber auch das hatten mir meine Begleiter schon angedeutet. Broń ist im Vergleich zu Radomiak eine echt kleine Nummer. Auffallend die „Kleidung“ an den Händen. Zunächst dachte ich, die Kunden rennen schon mit bandagierten Händen ins Stadion, was mir zugegebenermaßen die Lust aufs Spiel noch vergrößerte, aber bei genauen Hinsehen entpuppten sich die „Bandagen“ als Fingerlose Handschuhe in den Vereinsfarben. Zwischendrin hörte man immer wieder das laute Donnern der Böller hinter der Gästetribüne, was die Ankunft Radomiaks ankündigte. Mit dem Marsch scheine ich echt auch wirklich etwas verpasst zu haben, doch seht selbst auf dem Video. Imposanter Haufen!

Der Heim-„Mob“ sammelte sich zu Spielbeginn mit schätzungsweise 200 Leuten in der Mitte der Tribüne und legte ohne große optische Aktionen los mit der Unterstützung. Da ich auf der gleichen Tribüne stand, schien es mir zunächst recht laut, als dann aber die Gäste das erste richtige Rohr vom Stapel ließen war klar, wer hier eigentlich ein Heimspiel hat. Es macht immer den Anschein, als würden in Polen nur Kerle zum Fußball gehen, anders kann ich mir die laute und brachiale Akustik dieser Mobs nicht erklären. Ich höre es gerne mal. Um auch was fürs Auge zu bieten, inszenierten die Gäste eine grün-weiße Zettelchoreo, die auch das Gründungsjahr ihres Vereins beinhaltete. Zwischendrin flammten ein paar Fackeln und grüner Rauch empor. Da kann man sich keinesfalls beschweren. Auch diverse Fahnen auf Heimseite ließen keine Wünsche offen. Beim erblicken der „Radomiak Hooligans – Michalow“ Fahne konnte ich mir ungefähr denken, was die ganzen Polenfreaks meinen, wenn sie die Zaunbeflaggung der Polen abfeiern.



Während Radomiak also seine Stimmen strapazierte, trudelten auf der Heimseite nochmal gut zehn Kumpels von Powiślanka Lipsko ein und wurden prompt von Broń gefeiert bzw. die Freundschaft besungen. Laut der „Kenner“ haben die einige gute Typen am Start, die Jungs, die heute dabei waren, hatten maximal „Babelsberg Niveau“. So plätscherte das Spiel dann vor sich hin, bis in der 19. Minute auch ein Tor für Broń fiel. So viel lauter wurden sie im Zuge dessen allerdings nicht. Kann aber auch sein, dass dies durch mein Zittern übertönt wurde, es war nämlich verdammt kalt bzw. ich nicht entsprechend gekleidet. Ewige Warteschlangen, kalt….kann`s noch schlimmer werden? Ja… es gibt kein Bier im Stadion. War mir zwar bekannt, aber trotzdem ein höchst unangenehmer Beigeschmack. Derartige Argumentationen können Leute mit einem moderaten Alkoholkonsum sicher nichts abgewinnen, aber irgendwo muss ich mir ja Luft machen. Den Rest der ersten HZ passierte nicht mehr sonderlich viel und so wartete man eben auf etwas mehr Action in der zweiten Spielhälfte.

In dieser war dann die Heimseite an der Reihe mit etwas Optik, zog eine Blockfahne nach oben, hielt diese ewig lang und zündete dann auch die erwarteten Fackeln und Böller darunter. Die Ornder fanden das ganze so nett, dass sie sich unmittelbar vor den Block stellten um sich mit Böllern und Fackeln bewerfen zu lassen. Ich habe keine Ahnung, welche Strategie man damit verfolgt, aber für mich sieht das in erster Linie einfach nur total behämmert aus. Einen höheren Bildungsabschluss benötigt man für diese Art der Arbeit zumindest mal nicht. Danach kam leider nicht mehr viel von Broń, auch Radomiak konnte nicht an den starken Support in der ersten Hälfte anschließen und so blieb mir nur das Hoffen auf Krawall! Laut der Aussagen meiner Begleiter hatte Broń anscheinend eine Fahne ihrer Rivalen im Gepäck und hätte die sicher auch gern gezeigt/vernichtet. Dann hätten die Gäste auch mit hoher Wahrscheinlichkeit den Platz gestürmt. Aber wie Anfangs erwähnt, hätte Broń dieser Übermacht nicht viel entgegenzusetzen. Wozu klaut man dann eigentlich 'ne Fahne?

Als Radomiak in der 79. Min auch noch den Ausgleich schaffte, war auch meine letzte Hoffnung auf Randale dahin. Es soll einfach nicht sein. Aber gut, das ist schon wieder jammern auf hohem Niveau. Ich durfte hier Zeuge eines Derbys in der vierthöchsten polnischen Spielklasse sein und hab mehr gesehen und vor allem auch gehört als in so manchem beschissenen 1. Liga-Spiel in Deutschland. Da darf man sich nicht beschweren…..wenn die Sache mit dem Bier nicht wäre.
So schnell wie wir gekommen waren, sind wir nach dem Spiel auch wieder abgehauen. Und da der Pole ja ungemein katholisch ist, fiel auch das Abendbrot etwas kleiner aus. Dafür gab es auf dem Heimweg noch die ein oder andere Anekdote zum schmunzeln (oder eher Kopfschütteln?).
„ Hattet ihr eigentlich nach dem Popo-Sex schon mal Kacke am Schwanz?!“
„Nee, ey! Du?“
„Ja, aber ich hab's ihr verschwiegen!“

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