Montag, 2. Januar 2017

26.06.2016 EM 2016 / Deutschland vs Slowakei 3:0

Um die folgende Zeilen einzutippen, musste ich mir erst einmal eine halbe Flasche Whisky genehmigen. Anders hätte ich meinen vor Ekstase zitternden Körper gar nicht mehr zu Ruhe bekommen. Dermaßen geflasht von der unvergleichbaren Atmosphäre in einem Stadion kam ich zuletzt nur vom Kracher Saar 05 vs. Elversberg nach Hause. Da brauchte ich wirklich eine Woche, um mich von diesem „Schock“ zu erholen.
Das Drama nahm am Donnerstag vor dem Spiel seinen Anfang. Ein guter Freund und Anhänger des mächtigen SV Waldhof (nennen wir ihn den „Architekten“) sendete mir einen Screenshot von der Seite der UEFA, auf der etwas von vier Tickets für das Achtelfinalspiel der Deutschen in Lille zu erkennen war. Toll, dachte ich mir. Angeber kann keiner leiden. Als er mich dann aber darüber informierte, meinen strategische wichtigen Wohnort als ersten Stopp der Tour zu nutzen und von dort Gebrauch meiner Ortskenntnisse machen zu wollen, war klar, worauf der gute Mann hinaus wollte. Langer Rede, kurzer Sinn….er wollte diesen Fehlkauf an mich verhökern. Blauäugig wie ich bin, sagte ich natürlich zu. Riesen Bock auf den ganzen Europameisterschaftsscheiss hatte ich im Grunde keinen. Aber wenn sich die Gelegenheit bietet, irgendwo im Ausland mal wieder mit den Kumpels einen zu heben, kann ich schlecht Nein sagen. Sonntagmorgens um halb zehn standen die Herren aus dem Raum Mannheim fast pünktlich vor meiner dauerhaften Unterkunft und insbesondere der „Architekt“ konnte es sich nicht nehmen lassen, den ein oder anderen Kalauer zu meiner Wahlheimat zum Besten zu geben. Euer Schreiberling lotste die gefährliche menschliche Fracht indes ohne „Feindkontakt“ über die Grenze und knapp 3 Stunden später konnten wir unser Vehikel auf einem Supermarktparkplatz unweit des Stadions abstellen. Nachdem auch die Karten abgeholt waren, konnte sich die feine Reisegesellschaft in die Innenstadt begeben. Doch zunächst sorgten die Herren der lokalen Verkehrsbetriebe für reichlich Unmut, wollte man den armen Teutonen (und auch Slowaken) doch tatsächlich auch noch Kohle aus der Tasche ziehen, um den ÖPNV zu nutzen. Nun, grundsätzlich ist es sicherlich selbstverständlich, dass diese Dienstleistung auch entlohnt wird. Nur unter dem Gesichtspunkt der frechen Eintrittspreise und wenn man daran denkt, wie die Sache in Deutschland (bei den meisten höherklassigen Vereinen ) gehandhabt wird, bekomme ich schon schlechte Laune. Diese Leistung sollte ja nun wirklich inklusive sein.
Am Hauptbahnhof von Lille war erwartungsgemäß alles voll mit Deutschen und relativ schnell war uns klar, warum wir Länderspielen so lang fern geblieben sind. Wenn der Treffpunkt der vermeintlichen deutschen „Härtefälle” durch eine Osnabrück Fahne „ausgeschildert” wird, läuft irgendetwas ganz gewaltig schief. Danke Merkel! Auch sonst ein ziemlich hohes Dulli-Potential unterwegs. Die kurze Distanz zum Vaterland ermöglichte es einigen Hottentotten, den Malle-Urlaub nach Frankreich zu verlegen. Als der berühmte Simonesi aber auf einmal vor mir stand, war all der Ärger und die frechen Bierpreise ruck, zuck vergessen und wir konnten uns den schönen Seiten des Lebens hingeben. Da aber nicht so ganz geklärt war, wie die Rückfahrt aufgeteilt wird unter den vier potentiellen Fahrern, war Genuss mit Handbremse angesagt. Naja, zumindest für die anderen Drei! Circa 1 ½ Stunden vor dem Anpfiff wurde dann eher widerwillig der Weg zum Stadion angetreten, ich wäre (auch wegen der besagten Dullies) lieber in der Kneipe geblieben. Im Nachhinein wäre es auch die bessere Entscheidung gewesen. Aber schließlich war ja EM. Den Organisatoren dieses Turniers bzw. an diesem Spielort war das offenbar neu. Wie man dermaßen unvorbereitet auf diese Menschenmassen ein Europameisterschaftsspiel austragen kann/darf, ist für mich vollkommen unverständlich. Die Lage an den Eingängen für unsere Sektoren war mehr als kritisch. Von allen Seiten nur Gedränge und Geschubse. Zarte Persönlichkeiten oder Kinder hätten hier arge Probleme bekommen. Hätte eigentlich nur jemand mit einem Sprengstoffgürtel gefehlt. Ist ja in Frankreich mittlerweile auch „en vogue”. Glücklicherweise passierte aber nichts und während drinnen die Nationalhymne geträllert wurde, fummelte mir noch ein Franzose in den Taschen rum. Auch noch den Anstoß verpasst (sollte mir im Jahr 2016 noch häufiger passieren). Meine drei Gefährten hatten derweil schon die Plätze eingenommen und insbesondere der „Architekt” hatte mit zwei Belgiern (in Deutschlandtrikots) in der Reihe vor uns seine Feindbilder für die nächsten 90 Minuten gefunden. Hat ziemlich lang gedauert, bis sie ihn endlich als Autoritätsperson wahrgenommen hatten und von ihrem Sitzplatz Gebrauch machten. Der eigentliche Grund unseres Erscheinens, die Partie Deutschland vs. Slowakei, war indes ein wahres Trauerspiel. Nun, der normale Zuschauer würde jetzt fragen : „Wieso? Die haben doch 3:0 gewonnen?!” Tja, das war es aber auch. Ich habe ja schon das ein oder andere stimmungsmäßige Trauerspiel gesehen (gerade in England), aber in Verbindung mit der Karnevalsverkleidung von 80 % der deutschen „Fans” war für mich ein Punkt erreicht, an dem ich absolut die Lust an diesem Sport verloren habe. Ich habe keine Ahnung, wie viele der 44300 Zuschauer aus Deutschland waren, ich schätze mindestens 60-70 %, aber Tatsache ist: So stelle ich mir die Heimspiele der Deutschen Nationalmannschaft vor. Trostlos, nur Idioten und absolut keine Atmosphäre. In der 60. Minute hatte ich den Kanal voll und den Weg nach draußen gewählt. Ein paar bekannte Unioner saßen schließlich auch noch vor den Toren in einer angrenzenden Kneipe und so hatte ich wenigstens etwas Gesellschaft, während meine Begleiter sich diesen Event bis zum Ende gaben.
Auf der Rückfahrt konnte ich mich wie erhofft vor dem Fahren drücken, weniger wegen meines Pegels, eher wurden meine Fähigkeiten als DJ benötigt. Und so kamen die drei Wessis in den Genuss einer gepflegten „Cottbusser Playlist”.... Irgendwann gegen 1 Uhr konnte ich meinen Haustürschlüssel wieder ins heimische Türschloss stecken, während meine Begleiter für die restlichen 1 ½ Stunden Fahrt leider ohne den sorbischen DJ auskommen mussten. Den nächsten Länderspiel Besuch überlege ich mir vorher zwei Mal!



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen